Geschlechtergerechte Klimapolitik: Worte müssen zu Taten werden

Von Karen Knipp-Rentrop

VIDC Online Magazin Spotlight

Dieser Artikel wurde in der Spotlight-Ausgabe Dezember 2024 veröffentlicht. Wenn Sie den vierteljährlich erscheinenden Spotlight, Einladungen und Dokumentationen erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.

Autorin

Karen Knipp-Rentrop ist Programmkoordinatorin bei CARE Österreich. Sie ist zuständig für die Strategische Partnerschaft mit der Austrian Development Agency, die zur Stärkung von Frauen und Mädchen in Uganda und Ruanda beiträgt. In ihrer anwaltschaftlichen Arbeit beschäftigt sie sich u.a. mit der Klimakrise. Zuvor unterstützte sie lokale NGOs in der Afrikanischen Großen Seen Region, die zu Konfliktbearbeitung, Menschenrechten und Gewalt gegen Frauen und Mädchen arbeiten.

Teile der CARE-Delegation auf der COP29, © CARE

Teile der CARE-Delegation auf der COP29, © CARE

(12. Dezember 2024) 2024 war bisher das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Klimaauswirkungen verschärfen sich weltweit. Doch während sich die Klimakrise beschleunigt, bleiben Frauen und marginalisierte Gruppen, insbesondere aus dem globalen Süden, von wichtigen Entscheidungsprozessen und Finanzierungsströmen weitgehend ausgeschlossen. Und das, obwohl Untersuchungen zeigen, dass Lösungen effektiver und nachhaltiger sind, wenn Frauen aktiv im Klimabereich mitentscheiden.
„In Nigeria sind Frauen und Mädchen von den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Zugleich sind sie es, die sich in ihren Gemeinschaften mit den Auswirkungen auseinandersetzen und Lösungen entwickeln, wie man sich am besten anpassen kann. Wir brauchen das Fachwissen, die Erfahrung und die Perspektiven, die Frauen mitbringen. Ihre Arbeit vor Ort und ihre effektive Führungsrolle müssen auch auf internationaler Ebene zur Sprache kommen. Es ist inakzeptabel, sie auszuschließen“, erklärt Titilope Gbemisola Akosa, Gründungsdirektorin des Centre for 21st Issues, im Rahmen der diesjährigen UN-Klimakonferenz (COP29).

Gender auf der COP29 in Aserbaidschan 

Gemeinsam mit Partner*innen wie Titilope Akosa waren 15 CARE-Kolleg*innen aus afrikanischen, europäischen und asiatischen Ländern auf der COP29, um dafür zu werben, dass die Gleichstellung der Geschlechter bei allen Themen im Mittelpunkt stehen muss: bei den Verhandlungen über ein neues finanzielles Ziel für die Zeit nach 2025 (das sogenannte New Collective Quantified Goal, NCQG) ebenso wie bei Klimaschutz, Anpassung und der Überarbeitung des Lima-Arbeitsprogramms zu Gender. 
Viele Frauenorganisationen zeigten sich sehr ernüchtert nach der COP. Trotz langjähriger Verpflichtungen zur Geschlechtergleichstellung im UN-Klimaprozess wird Gender in der Klimapolitik weiterhin vernachlässigt. „Die COP29 hat die anhaltenden Herausforderungen aufgezeigt. Wir sahen bei den Verhandlungen wenig Ehrgeiz zur Förderung der Geschlechtergleichstellung, begrenzte Fortschritte bei der Finanzierung und, was am besorgniserregendsten ist, dass einige Parteien eine regressive Anti-Gender- und Menschenrechtsagenda vorantreiben.“, kritisiert Rosa van Driel, Advocacy Beraterin von CARE Niederlande.  So bedurfte es gemeinsamer Anstrengungen aller Verbündeten, um zumindest die Fortschritte der letzten Jahre zu sichern: Immerhin wurde in Baku das Lima-Arbeitsprogramm zur Gleichstellung der Geschlechter um zehn Jahre verlängert und ein klarer Fahrplan für einen überarbeiteten Gender-Aktionsplan aufgestellt, der auf der COP30 angenommen werden soll.

Das Lima-Arbeitsprogramm zu Gender & die aktive Partizipation von Frauen 

Das auf der COP25 vereinbarte Lima-Arbeitsprogramm zu Gender und der dazugehörige Gender-Aktionsplan (GAP) zielen darauf ab, die volle, gleichberechtigte und effektive Beteiligung von Frauen an Klimaschutzmaßnahmen zu fördern. Jüngste Analysen zeigen jedoch, dass die Umsetzung uneinheitlich ist und nur langsam Fortschritte erzielt werden. Daten der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai zeichnen beispielsweise ein ernüchterndes Bild: Nur 34 % der nationalen Parteidelegierten und nur 19 % der Delegationsleiter*innen waren Frauen - Zahlen, die sich seit einem Jahrzehnt nicht verbessert haben. Von den 17 Gremien des UN-Klimaabkommens (UNFCCC) haben nur drei einen Frauenanteil von mehr als 50 % erreicht. Auf der COP29 waren nur acht der anwesenden Staatschefs Frauen, hingegen 78 Männer. Dies spiegelt sich auf allen Ebenen der klimapolitischen Entscheidungsfindung wider. Die Studie „Beyond a seat at the table“ verdeutlichte, dass selbst dann, wenn Frauen bei Klimatreffen auf lokaler Ebene in gleicher Zahl vertreten sind, Männer zumeist die Diskussionen dominieren und mehr Einfluss auf Entscheidungen haben.

Klimafinanzierung und Geschlechtergerechtigkeit

Im Mittelpunkt der Verhandlungen in Baku stand die Festlegung des NCQG. Die endgültige Summe von jährlich 300 Milliarden USD bis 2035 war für Klimaaktivist*innen zu wenig. Obwohl Marlene Achoki, CARE Global Climate Policy Lead, es begrüßt, dass die Parteien zu einer Einigung gekommen sind, bewertet sie das finale Ergebnis enttäuscht: „Wieder einmal müssen die Schwächsten den Preis für die Auswirkungen des Klimawandels zahlen, während sich die Industrieländer vor ihren Verpflichtungen gegenüber den Ärmsten der Welt drücken. Die COP hat es nicht geschafft, den Bedarf der Entwicklungsländer zu decken. Es wurde nur ein Bruchteil der benötigten 1 Billion USD vereinbart, und qualitative Aspekte wurden vernachlässigt. Das Versagen, angemessene Klimafinanzierung bereitzustellen, ist eine Verweigerung von Gerechtigkeit: zutiefst beunruhigend und besorgniserregend.“
  
Menschenrechte oder die Notwendigkeit einer geschlechtergerechten Finanzierung werden in dem Abkommen überhaupt nicht erwähnt. Kritisiert wurde auch, dass ein Großteil der Mittel in Form von Krediten und privaten Investitionen bereitgestellt werden soll, anstatt als direkte Unterstützung. Da dies die finanzielle Belastung von bereits hoch verschuldeten Länder erhöht, könnte das sogar negative Auswirkungen haben. Frauen und Mädchen würden die Hauptlast der daraus folgenden Haushaltskürzungen tragen, etwa durch geringere Bildungschancen, steigende wirtschaftliche Belastungen oder vermehrt unbezahlte Sorgearbeit, wenn öffentliche Unterstützungsstrukturen wegfallen.

Frauen als Vorreiterinnen in Sachen Klima

CARE und Partner*innen fordern nicht nur eine deutlich höhere Klimafinanzierung, sondern auch deren gezielte Verwendung für Anpassungsmaßnahmen und für besonders gefährdete Gruppen. Das Beispiel von Virginia aus Ecuador zeigt, was möglich ist, wenn Frauen die notwendige Unterstützung und Chancen erhalten. Als indigene Bäuerin war sie mit sich verändernden Anbauperioden und immer heftigeren Wetterlagen konfrontiert. Das CARE-Programm „She Grows the Future“ half ihr, klimaresistente einheimische Pflanzen wiederzuentdecken und ermöglichte ihr eine landwirtschaftliche Fortbildung. Heute setzt Virginia Initiativen zur Entwicklung ihrer Gemeinde um, schützt die natürlichen Ressourcen und arbeitet mit den lokalen Behörden zusammen, um die Beteiligung von Frauen an der politischen Entscheidungsfindung zu stärken. Zudem arbeitet sie in der ersten agroökologischen Schule für Frauen in ihrer Gemeinde mit. 

Gleichberechtigter Zugang zur Klimafinanzierung

Trotz der Zusagen auf früheren COPs bleiben Anpassung und die Unterstützung bei Schäden und Verlusten weiterhin unterfinanziert. Das derzeitige Klimafinanzierungssystem schließt marginalisierte und besonders betroffene Gemeinschaften, einschließlich Frauen und Mädchen, zudem häufig vom Zugang zu wichtigen Finanzierungsmitteln aus. „Die Industrieländer sind entschlossen, die Klimafinanzierung aus den Verhandlungen zum GAP herauszuhalten. Dabei fließen gerade nur etwa 0,2 % der internationalen Finanzmittel für die Klimaanpassung direkt an lokale Frauenorganisationen, von denen viele eine Schlüsselrolle in den Gemeinschaften einnehmen“, bemerkt Chikondi Chabvuta, CARE-Beraterin für die Region Südliches Afrika. Frauenorganisationen erhielten 2018-2019 weltweit lediglich 43 Millionen USD an Klimafördermitteln. Weniger als 10 % der Anpassungsfinanzierung erreichen Initiativen auf lokaler Ebene, wo Frauen häufig sehr aktiv sind. Obed Koringo, klimapolitischer Berater von CARE in Kenia, fordert: „Gemeinschaften, die vom Klimawandel betroffen sind, können keine weiteren Verzögerungen ertragen - eine sinnvolle Finanzierung ist nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sondern eine moralische und praktische Notwendigkeit.“

Fazit

Während die COP29 einige Fortschritte bei Detailfragen verzeichnete, dominierte die Kritik am mangelnden politischen Mut der Verhandlungsführer*innen. Besonders im Hinblick auf die Verantwortung der Industrieländer, die den größten Anteil an der globalen Klimakrise tragen, bleiben viele Fragen offen. Auch muss sichergestellt werden, dass Frauen aus den betroffenen Gemeinschaften Zugang zu Ressourcen haben und Lösungen anführen können. Um ihre volle und gleichberechtigte Teilhabe an allen klimapolitischen Entscheidungsprozessen von der lokalen bis zur globalen Ebene zu gewährleisten, müssen strukturelle Ungleichheiten, die das Engagement von Frauen einschränken, beseitigt, kollektives Handeln unterstützt und die geschlechtergerechte Klimafinanzierung deutlich erhöht werden, einschließlich eines gleichberechtigten Zugangs für Frauenorganisationen.  Die Weltgemeinschaft wird an ihrer Fähigkeit gemessen werden, in den kommenden Jahren ambitionierter und gerechter zu handeln. 
 

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