Der Afrika Club ist ein informelles Diskussionsforum von Afrika-Interessierten aus öffentlichen Institutionen, der afrikanischen Diaspora, Zivilgesellschaftlich, Wissenschaft und Medien. Themen sind aktuelle Entwicklungen in Afrika, EU-Afrika Beziehungen die Situation der Diaspora. Ziels sind der Informationsaustausch - aus unterschiedlichen Perspektiven - und der Aufbau von Wissensnetzwerke.
Bericht vom Afrika Club am 20. Oktober 2021
Franz Schmidjell begrüßte die Teilnehmer*innen und begründete die Wahl des Themas mit den dramatischen Entwicklungen in Afghanistan und der Zunahme von jihadistischen Bedrohungen im Sahel, am Horn von Afrika und im südlichen Afrika, z.B. in Cabo Delgado Mosambik. Damit stehen auch die verschiedenen internationalen Interventionen und Missionen auf dem Prüfstand. Aufgrund der unterschiedlichen Geschichte und des jeweiligen lokalen Kontexts sind Afghanistan und Somalia kaum vergleichbar. Aber beide Länder waren bzw. sind Schauplatz von zahlreichen internationalen Interventionen. Die Moderatorin Grace Odanga stellte die Referenten vor und fragte nach deren Einschätzung zu den aktuellen Entwicklungen in Afghanistan und Somalia.
Ali Ahmad
verwies in seinem Eingangsstatement auf den 15. August 2021, dem Tag der Machtübernahme durch die Taliban. Dieser Sieg wurde von jihadistischen Milizen weltweit gefeiert. In Somalia wurden Süßigkeiten an die Kinder verteilt und im Jemen gab es Feuerwerke. Die 20 Jahre andauernden internationalen Interventionen in Afghanistan hatten einige Fortschritte gebracht. 10 Millionen Mädchen gingen zur Schule, Parlaments- und Präsidentenwahlen wurden abgehalten, die Medienfreiheit wurde eingeführt und die Infrastruktur ausgebaut. Doch wer profitierte von diesen Erfolgen, und was blieb von diesem Vermächtnis übrig? Zu Beginn der Intervention konnten die internationalen Truppen die Taliban-Einheiten weitgehend zerschlagen. Doch im August dieses Jahres kamen sie mächtiger als je zuvor zurück. Während sie durch Zugeständnisse international nach Anerkennung suchen, sind sie in Afghanistan selbst kaum zu Kompromissen bereit, beispielsweise bei der Sekundarschulbildung von Mädchen und der Teilhabe von Frauen am öffentlichen Leben. Doch die Frauen sind selbstbewusst geworden, wovor die Taliban auch Angst haben. Ein weiteres Risiko für die Taliban geht von der enormen Armut und der katastrophalen humanitären Lage aus.
Jamal Mataan
berichtete über die ideologischen Parallelen zwischen Taliban und Al-Shabaab, die sich auch in Biographien von Al Shabaab-Führern finden lassen, wie bei dem vermutlich 2013 getöteten Ibrahim Haji Jama Mee'aad, der auch unter dem Namen Ibrahim al-Afghani bekannt war. Die politische Teilhabe der Frauen ist vor allem in den von der Al-Shabaab kontrollierten Gebieten sehr eingeschränkt. Dies wird auch durch patriarchale Traditionen begünstigt. Somalia erlebte in letzten Jahrzehnten zahlreiche Interventionen, wie die UN-Missionen (UNOSOM I und II), den Einsatz der USA (UNITAF) und die äthiopische Invasion von 2007. Danach folgte die AU-Mission AMISON, die Ende 2021 formal ausläuft. AMISON hatte vor einigen Jahren schwere Verluste zu verzeichnen und verhält sich seither was die Kampfeinsätze anbelangt eher zurückhaltend. Darüber hinaus kamen ständig neue Akteurinnen wie Eritrea, die Vereinigten Arabischen Emirate oder die Türkei ins Land. Alle haben ihre spezifischen Interessen.
Gerald Hainzl
stellte die Vergleichbarkeit der Entwicklungen in Afghanistan und Somalia aufgrund der unterschiedlichen Geschichte und der spezifischen Kontexte in Frage. Aber es gibt ein Element, das viele jihadistische Bewegungen begünstigt, nämlich der Zeitfaktor: „Wir warten bis die Anderen müde werden und abziehen“, lautet ihre Devise. Die Frage, was internationale Interventionen und Missionen bewirken, ist schwierig zu beantworten, da es sich um verschiedene Mandate mit unterschiedlichen Zielen handelt. Welche Lehren wer aus den Interventionen zieht, sollte anhand der jeweiligen Akteur*innen gemacht werden. Beispielsweise ist die Türkei sowohl in Afghanistan als auch in Somalia aktiv. Hinsichtlich des Nations- und Staatsaufbaus „von außen“ äußert sich Hainzl skeptisch. Es können nur Prozesse und staatliche Institutionen unterstützt werden, die intern getragen werden. Zudem hätten westliche Länder immer ihr „System im Koffer“.
Grace Odanga
dankte den Referenten und begrüßte Herrn Botschafter Robert Zischg, dem neuen Leiter der Afrika Abteilung im BMEIA. Er betonte die Bemühungen der EU bei der Konfliktprävention und Mediation sowie die Zusammenarbeit mit AU. Allerdings ist die EU nur ein von mehreren wichtigen „playern“ in Afrika.
Afrikanisch-europäische Beziehungen
In der Diskussion wurde betont, dass der Kolonialismus bis heute nachwirkt. Seit der Berliner Afrika Konferenz 1884/85 wurden viele lokale Strukturen zerstört und Eliten gefördert, die sich wenig für ihr Land bzw. ihre Landsleute engagieren. Deshalb hat Europa eine besondere Verantwortung. Die Bekämpfung der Armut ist ein positiver Ansatz. Doch die Ursachen für Armut und Ungleichheit dürfen nicht nur in den Politiken der afrikanischen Länder sondern auch in den ungleichen Beziehungen und Machtassymetrien verortet werden. Europa sollte nicht die eigenen Demokratiemodelle übertragen, sondern Afrika muss eigene entwickeln.
AMISON
ist eine AU Mission, wird aber von der EU bezahlt. Trotz Schwächen und Eigeninteressen der beteiligten Länder ist der Einsatz ein gutes Beispiel für „African problems need African solutions“. Das Mandat läuft Ende 2021 aus. Die EU erwartet einen neuen Vorschlag der AU. Ein Ende des AMISON Einsatz würde die Kräfteverhältnisse zugunsten von Al Shabaab verschieben.
Fehlende Koordination
In der Diskussion wurde zudem kritisiert, dass externe Akteurinnen in beiden Konfliktländer nicht nur nach eigenen Interessen handeln, sondern es auch wenig bis keine Abstimmung untereinander gibt. Angeregt wurde eine Analyse der verschiedenen Akteurinnen, inklusive der Türkei, der arabischen und anderer afrikanischer Staaten, als Thema für einen künftigen Afrika Club.
Ausblick
Ende Oktober findet in Kigali ein Treffen der AU- und EU-Außenminister statt, wo nicht nur über die Sicherheitsarchitektur verhandelt, sondern auch der nächste EU-AU-Gipfel im Februar 2022 vorbereitet wird. Dies sollte auch ein Anlass für den Afrika Club sein, über die Neugestaltung der Europa-Afrika-Beziehungen zu diskutieren.