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Global Gateway – Partnerschaft oder „Europe first“?

Von Franz Schmidjell

VIDC Online Magazin Spotlight

Dieser Artikel wurde in der Spotlight-Ausgabe Dezember 2024 veröffentlicht. Wenn Sie den vierteljährlich erscheinenden Spotlight, Einladungen und Dokumentationen erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.

Autor

Franz Schmidjell ist stellvertretender Geschäftsführer des VIDC und betreut bei VIDC Global Dialogue den Bereich Afrika Politik. Er ist Initiator der VIDC-Abteilung kulturen in bewegung und absolvierte ein Studium der Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien mit mehreren Reisen und Forschungsaufenthalten in Südostasien und Südasien.

Präsidentin der EU Kommission Ursula von der Leyen, © Alamy/ZUMA Press

(12. Dezember 2024) Geht es nach der neuen EU-Kommission, funktioniert die traditionelle Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr. Europa brauche eine Neuausrichtung der Kooperation mit dem Globalen Süden. In deren Mittelpunkt steht die Global Gateway-Strategie, mit Infrastrukturprojekten in den Partnerländern und finanziellen Anreizen für den Privatsektor. Global Gateway ist nicht neu, aber zwei Jahre nach dem Startschuss wächst die Kritik. 

Was ist Global Gateway?

Global Gateway (GG), mit einem Volumen von 300 Milliarden Euro (2021-2027), ist das bislang größte Investitionsprogramm der EU zum Aufbau von Infrastrukturen weltweit. Die Umsetzung obliegt dem Team Europa, einem Verbund aus EU-Institutionen, Mitgliedstaaten und deren Finanz- und Entwicklungsinstitutionen. Nach den Vorstellungen von Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen soll Europa durch sicherere Lieferketten, insbesondere für kritische Rohstoffe krisenfester werden. Mit öffentlichen Geldern sollen entsprechende Privatinvestitionen für Infrastrukturprojekte in den Bereichen Verkehr, Energie, Digitalisierung, Gesundheit und Bildung angeregt werden, so die Grundidee. Zielregionen sind Afrika – mit dem höchsten Volumen von 150 Milliarden Euro-, Lateinamerika und Karibik, Naher und Mittlerer Osten, Asien und Pazifik.

Finanzierung als Hebel für die Privatwirtschaft

Die Finanzierung erfolgt über EU-Finanzinstitutionen, Mitgliedsstaaten und dem EU-Budget zur Mobilisierung von Privatkapital. Von den EU-Außenbudgets, wie dem Neighbourhood, Development and International Cooperation Instrument (NDICI), der zusammengelegten Budgetlinien der früheren Entwicklungszusammenarbeit und der Nachbarschaftshilfen. Daraus sollen 79,5 Milliarden Euro zwischen 2021 und 2027 kommen, davon 18 Milliarden Euro an Zuschüssen. Aus dem Europäischen Fonds für Nachhaltige Entwicklung Plus (EFSD+), dem Finanzierungsinstrument von NDICI, gibt es weitere 40 Milliarden an Garantien für den Privatsektor. Über andere Programme stehen 12 Milliarden zur Verfügung. Mit diesen öffentlichen Geldern sollen 135 Milliarden Euro an Privatinvestitionen mobilisiert werden. Zuschüsse, Kredite und Garantien von Mitgliedsstaaten sollen einen Investitionsbetrag Privater über 145 Milliarden Euro hebeln.

Governance – ohne Globalem Süden und (fast) ohne Zivilgesellschaft

Für die Steuerung von Global Gateway sind die Kommissionspräsidentin, die Hohe Außenpolitische Vertreterin und die zuständigen Kommissionsmitglieder zuständig, also auch DG Internationale Partnerschaften (vormals Entwicklungspolitik). Die sogenannte Gruppe für Außenbeziehungen (RELEX – relations extèrieur) bildet den Global Gateway-Ausschuss und arbeitet strategische Leitlinien für Global Gateway und die Team Europa-Initiativen aus. Die Länder des Globalen Südens sind in der Governance-Struktur nicht vertreten. Dafür die Global-Gateway-Wirtschaftsberatungsgruppe, die dafür sorgt, dass die Interessen des europäischen Privatsektors entsprechend berücksichtigt werden. Zur Umsetzung von Global Gateway ist in erster Linie der neue Kommissar für internationale Partnerschaften, Jozef Síkela zuständig, ein ehemaliger Banker und Handelsminister. 

Für die Zivilgesellschaft ist es schwierig, eine relevante Rolle im Global Gateway zu finden, obwohl es eine Beratungsplattform für zivilgesellschaftliche Organisationen gibt. Tanja Cox, Vorsitzende des europäischen Dachverbandes CONCORD, meint: „Wir werden weitgehend auf die Beobachtung der Projekte verwiesen. Aber aufgrund der mangelnden Transparenz ist es äußerst schwierig, die Verwendung von entwicklungspolitischen Mitteln (NDICI Budget) nachzuvollziehen. Die Kommission verweist uns auf die Website von Global Gateway, aber die Einzelheiten dieser Projekte bleiben unbekannt. Daher ist es auch schwierig, Empfehlungen für Verbesserungen zu machen.“

Sektorale Prioritäten und „Flagship“-Projekte 

Beim sechsten AU-EU Gipfel (Afrika-Gipfel) im Februar 2022 stellte von der Leyen das erste Projekt des «Global Gateway» vor. Über 1,6 Milliarden Euro an Investitionen zur grünen Energieerzeugung in Marokko wurden zugesagt. Damit wurden auch die Schwerpunkte der drei Monate zuvor verkündeten Strategie deutlich: Afrika, Infrastruktur und Energie. Jährlich werden sogenannte Vorzeigeprojekte (flagship projects) ausgewählt. 218 Initiativen waren es in den Jahren 2022 und 2023. Im Jahr 2025 soll die Liste um 46 Projekte größer werden.

Eines der großen „flagship“ Projekte ist der gemeinsam mit den USA unterstützte 1300 Kilometer lange Lobito-Korridor. Dieser verbindet die südlichen Regionen der Demokratischen Republik Kongo (DRK), den Nordwesten Sambias und Angola über den Atlantikhafen von Lobito mit den globalen Handelsmärkten. Über die neue Bahnstrecke sollen Kobalt (DRK verfügt über die weltweit größten Kobaltvorkommen), Kupfer und andere für die grüne Wende wichtigen Rohstoffe transportiert werden. Gleichzeitig revitalisiert die VR China die entgegengesetzte Strecke nach Tansania (Tazara-Korridor). Im Wettlauf um grüne Rohstoffe spielen Pläne des African Mineral Development Center der AU (AMDC-AU) zum Bau einer eigenen Batteriefabrik in der Region bislang kein Rolle. Die Fabrik fehlt auf der Liste der Vorzeigeprojekte. 

Kritikpunkte

Paul Okumu (Head of Africa Platform) and Daniele Fattibene (European Think Tanks Group- ETTG) fassen die Befürchtungen vieler afrikanischer Beobachter zusammen, die „befürchten, dass der Großteil der Mittel in jene Wirtschaftssektoren fließt, die nicht unbedingt mit den Prioritäten der afrikanischen Partner übereinstimmen und die lediglich den strategischen Korridoren der EU für den Zugang zu wichtigen Mineralien dienen.“ Überdies vergeben die EU-Institutionen ihre Mittel über sehr komplexe Finanzierungsinstrumente, die viele Akteure, wie etwa lokale Regierungen, ausschließen. Zudem werden Mittel oftmals in Form von Krediten vergeben, was die Verschuldung im Globalen Süden ansteigen lässt. Die britische Hilfsorganisation Oxfam und das Europäische Netzwerk Verschuldung und Entwicklung (Eurodad) schreiben in ihrer aktuellen Studie ‚Who benefits from Global Gateway?‘: „Global Gateway-Projekte werden in 29 von 37 Staaten umgesetzt, die laut Weltbank zu den hochverschuldeten Ländern gehören.“ Eurodad kritisiert zudem, dass Global Gateway vor allem den Interessen des privaten Sektors dient und keine kohärente Politik zur Armutsreduzierung verfolgt. Ein weiteres Defizit besteht in der mangelnden Transparenz, da viele privatwirtschaftliche Verträge im Verborgenen bleiben. Die Global Gateway-Projekte werden nicht durch neue Gelder, sondern aus bestehenden (EZA-) Töpfen zugunsten privater Firmen und Konzerne (ko-)finanziert.  Die Strategie betont zwar, im Einklang mit den UN-Nachhaltigkeitszielen (Agenda 2030) und dem Pariser Klimaabkommen zu stehen. Studien von Eurodad, Oxram und Counter Balance sehen dies anders.  

Conclusio

Ursula von der Leyen hat in ihren „mission letters“ an die neuen Außenpolitik-Kommissar*innen die Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheitsinteressen der EU in den Mittelpunkt gestellt. Tanja Cox fasst dies mit dem Begriff „Europa zuerst“ zusammen. Traditionelle entwicklungspolitische Ziele wie Armutsbekämpfung oder der Abbau von Ungleichheit spielen eine untergeordnete Rolle. Dabei könnte Global Gateway für die EU eine Gelegenheit bieten, ihre Beziehungen zu Afrika zu erneuern. Sie sollte ihre Politiken stärker auf die Prioritäten der afrikanischen Regierungen und die Bedürfnisse der Bevölkerungen abstimmen. Im Rahmen von Global Gateway und Team Europe verfügt die EU über genügend Instrumente, um Afrika in seinem Bestreben zu unterstützen, sich von seiner Rohstoff-Abhängigkeit zu lösen. Eine Neugestaltung der Handelsbeziehungen sollte die reine Ressourcenextraktion zurückdrängen und die grüne Industrialisierung in Afrika beschleunigen. Sie sollte hochwertige Arbeitsplätze für die Jugend schaffen,  Armut reduzieren und zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Letztendlich würden auch Europas Firmen von der grünen Transformation und von wachsenden Märkten in Afrika profitieren. Und Europa könnte einen Beitrag zum „Recht zu Bleiben“ leisten und somit Fluchtursachen abbauen.

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