An der Konferenz vom 15.-16. Mai in Brüssel nahmen über 100 Teilnehmer*innen teil. Ziel war die bessere Vernetzung der afghanischen Diaspora in Europa sowie die Verabschiedung eines “Call to action”.
Afghanistan ist wieder in den europäischen Schlagzeilen gelandet. Denn was Menschenrechts- und Frauenaktivist*innen nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 von Anfang an befürchtet haben, ist eingetreten. Die neuen Machthaber drehen weiter an der Eskalationsschraube: Nachdem Mädchen ab der 7. Schulstufe nicht mehr in die Schule gehen oder Frauen ohne männliche Begleitung nicht mehr reisen dürfen, werden Frauen und Mädchen jetzt auch wieder unter die Burka gezwungen. Sie sind die Leidtragenden einer menschenverachtenden Politik, nachdem der Westen Afghanistan über Nacht aufgegeben und verlassen hat. Auch die ohnehin schon schwere humanitäre Krise Afghanistans hat sich im vergangenen Jahr noch einmal existenziell verschärft. Nach vier Jahrzehnten Konflikt, Unsicherheit, wiederkehrenden Naturkatastrophen sowie der globalen Pandemie und den damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen steht Afghanistan am Rande einer weiteren Katastrophe.
Die afghanische Diaspora in Europa hat auf diese politischen und sozialen Krisen reagiert, indem sie ihr Engagement noch einmal verstärkt hat. Diese starke Mobilisierung der Diaspora wird durch die mehr als 28.000 Afghan*innen, die vor kurzem aus Afghanistan allein nach Europa evakuiert wurden, noch forciert. Viele dieser kürzlich eingetroffenen Afghan*innen haben einen zivilgesellschaftlichen Hintergrund und haben der Diaspora ihr Fachwissen und ein besseres Verständnis für den Kontext in Afghanistan vermittelt.
Europäische Konferenz
Zur besseren Vernetzung der afghanischen Diaspora in Europa organisierte daher das Danish Refugee Council in Kooperation mit dem VIDC und weiteren Partnerorganisationen am 15. Und 16. Mai 2022 die European Conference: #Diaspora Action for Afghanistan. Bei der zweitägigen Konferenz in Brüssel wurden über 100 Teilnehmer*innen aus ganz Europa erwartet. Der erste Tag der Konferenz dient vor allem der Vernetzung. Er wird sich darauf konzentrieren, wie sich die Diaspora besser koordinieren und zusammenarbeiten kann. Der zweite Tag stand unter dem Motto “A call to action” und hat auch externe Akteur*innen einbezogen, um sich über die Rolle der Diaspora in Bezug auf das neue politische und operative Umfeld in Afghanistan auszutauschen. Die Diskussionen an diesen beiden Tagen diente auch dazu , einen Aufruf der afghanischen Diaspora zum Handeln zu unterstützen, der bereits im Vorfeld der Konferenz erarbeitet wurde.
VIDC Panel zu Diaspora Engagement und Entwicklungspolitik
Zwischen dem Sturz und dem Aufstieg der Taliban im Jahr 2001 bzw. 2021 entwickelte sich die afghanische Diaspora durch verschiedene Formen des Engagements zu einer wichtigen Kraft für die Entwicklung ihres Heimatlandes. Sie unterstützten Afghanistan durch finanzielle und soziale Rücküberweisungen (soziale Rücküberweisungen sind definiert als "Ideen, Verhaltensweisen, Identitäten und soziales Kapital"). Während dieser zwei Jahrzehnte hat Afghanistan auch eine enge Beziehung zu seiner Diaspora aufgebaut, die jedoch nach der Machtübernahme durch die Taliban im August letzten Jahres eine neue Wendung genommen hat.
Die Diskussion hat folgenden Themen diskutiert:
- Wie können wir (Diaspora und politische Entscheidungsträger) Diaspora und Entwicklung zusammenbringen?
- Was sind die entwicklungspolitischen Instrumente der EU im Kontext von Migration und Diaspora?
- Wie sieht die afghanische Diaspora ihre Rolle bei der Umsetzung/Unterstützung von Entwicklungsprojekten? Welche (neuen) Herausforderungen gilt es zu berücksichtigen?
- Welche guten Beispiele gibt es bei der Unterstützung von Projekten, insbesondere auch in ländlichen und abgelegenen Gebieten?
- Welche Erfahrungen wurden bei der Verwaltung von Projekten seit der Machtübernahme durch die Taliban gemacht?
- Welche Rolle kann die afghanische Diaspora spielen, um ihre Entwicklungsbemühungen in Afghanistan unter den neuen politischen und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen zu mildern?
- Wie können vor allem Frauen in Afghanistan mit Projekten unterstützt werden und wie kann die Diaspora hier einbezogen werden?
- Was können Europa und die Diaspora tun, um die Rechte der Frauen unter den Taliban zu gewährleisten? Was können wir hier von anderen Gemeinschaften in Europa lernen?
- Von anderen lernen: Welche bewährten Praktiken können wir von anderen Diaspora-Communities lernen, um Diaspora und Entwicklung zusammenzubringen?