Die unterschiedliche Zusammensetzung des Panels brachte wissenschaftliche, aktivistische und politische Perspektiven zur globalen Klimagerechtigkeit ein und führte zu einer sehr lebendigen Diskussion. Die Veranstaltung wurde vom VIDC in Zusammenarbeit mit dem 'People's Summit Wien' organisiert. Laura Grossman moderierte den Abend. Franz Schmidjell vom VIDC begrüßte über 100 Besucher*innen und betonte die Dringlichkeit, über globale Klimagerechtigkeit zu sprechen: "Während die CO2-Emissionen pro Kopf in Österreich etwa sieben Tonnen pro Jahr betragen, emittiert eine Person in Uganda nur 150 Kilogramm. Dennoch leiden die Menschen in Uganda, insbesondere Frauen, unter den katastrophalen Folgen der Klimakrise."
Aktivist*innen im Saal aus Afrika als auch aus Europa kritisierten daher das ungerechte Wirtschafts- und Politiksystem. Während Europa versuche, von einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen, schreite die Klimakrise voran, so der Grundtenor. Darüber hinaus beruhe die 'grüne' Energiewende Europas weiterhin auf fortgesetzter ökologischer und sozialer Ausbeutung in Afrika. Gleichzeitig hielten viele politische Führer in Afrika weiterhin am veralteten Weg der fossilen Industrialisierung fest. Der Forscher Yacob Mulugetta betonte jedoch, dass Afrika über ausreichende Potentiale an Solarenergie, Windenergie, Wasserkraft und Geothermie verfüge, um die herrschende Energiearmut zu lindern und das Wirtschaftswachstum vorantreiben.
Hamira Kobusingye, Climate Justice Africa: Ein Einblick in aktuelle Ungleichgewichte
Als Gründerin von Climate Justice Africa sprach die Klima- und Geschlechtergerechtigkeitsaktivistin Hamira Kobusingye über zwei zentrale Themen. Erstens, die fehlenden Informationen zu Klimathemen in Zivilgesellschaften in Afrika und zweitens, die East African Crude Oil Pipeline (EACOP). Climate Justice Africa möchte Wissen über die Klimakrise an Gemeinschaften weitergeben. Die nächsten Generationen müssten lernen, ohne Ausbeutung des Planeten zu leben. Bewusstseinsbildung oder das Sammeln von Kunststoffen für Recycling seien kleine Dinge, die von einzelnen Menschen gemacht werden, aber die Zahl der Menschen, die sich für Klimafragen engagieren, steigt. Dadurch werden nicht nur die Interessen großer Unternehmen gehört, die im gesamten Globalen Süden ökologische und soziale Probleme verursachen, sondern auch die Stimmen von lokalen Gemeinschaften und von denen, deren Rechte verletzt werden.
In Bezugnahme auf die EACOP zeigte Kobusingye auf, welcher Schadendurch das aktuelle wirtschaftliche und politische System verursacht wird. Das Projekt, das vom französischen Ölkonzern TotalEnergies und der China National Offshore Oil Corporation mitgeleitet wird, wird als wirtschaftliche Entwicklung für Uganda und Tansania beworben, während diese Länder aber nur 15 % des geschaffenen Reichtums erhalten. Die wirtschaftlichen Vorteile werden größtenteils nach Frankreich und China exportiert. Gleichzeitig verursacht das Projekt soziale und gesundheitliche Probleme wie die Vertreibung von Menschen sowie Wasser- und Luftverschmutzung, die Krankheiten verursacht. Afrika müsse sich entwickeln, ist aber weiterhin Opfer der Klimakrise und der Klimaungerechtigkeit. Kobusingye erinnerte die Anwesenden daran, dass der Neokolonialismus dadurch bekämpft werden muss, dass sich Menschen im Globalen Süden und im Globalen Norden die Hände reichen. Der internationale Protest von Aktivist*innen ist wichtig. Ein positives Beispiel stellt der Rückzug der österreichischen Firma ISOPLUS aus dem EACOP Konsortium nach Aktionen von Fridays for Future dar.
Francesca O’Brien, People’s Summit against European Gas Conference: Entwicklung neu denken, Politik neu gestalten
Francesca O’Brien erzählte als Sprecherin des People’s Summit im Anschluss an Kobusingye über den Protest des People’s Summit gegen die Europäische Gaskonferenz 2024. Der Summit zielt darauf ab, Alternativen zu einem kapitalistischen System aufzuzeigen. Während des gesamten Summits sollen vor allem die Menschen gehört werden, die vom gegenwärtigen System am stärksten unterdrückt werden. Das BIP sei nicht die einzige Messgröße, über die wir sprechen sollten, wenn wir über Entwicklung nachdenken, sagte O’Brien. Diese Art von Wirtschaftswachstum, sowie nationale Grenzen müssen als weniger wichtig angesehen werden, wenn das System ökologisch und global gerecht werden soll. Das System sollte bedarfsorientiert statt gewinnorientiert sein.
Da der Summit Menschen aus dem Globalen Süden und dem Globalen Norden zusammenbringt, sprach O’Brien auch über Herausforderungen bei der Verwirklichung von Solidarität. Wie können sich Menschen auf Augenhöhe begegnen, wenn das System, in das sie eingebettet sind, im Ungleichgewicht ist? In diesem Zusammenhang erwähnte O’Brien die Bedeutung einer neuen demokratischen und partizipativen Praxis. Die politische Teilhabe darf nicht auf diejenigen beschränkt werden, die die richtigen Papiere besitzen, sondern muss auf alle Menschen ausgeweitet werden, einschließlich jener, die derzeit unterdrückt werden. Eine nachhaltige Energiewende im Globalen Norden kann nicht gerecht sein, solange sie auf der Ausbeutung des Globalen Südens beruht. Entwicklung im Globalen Süden kann nur mit weniger Konsum im Globalen Norden funktionieren.
Yacob Mulugetta, Professor für Energie und Entwicklungspolitik (University College London): Strukturelle Herausforderungen afrikanischer Souveränität
Der Just Transition Africa Report von 2023 fordert eine holistische Dekolonisierung des aktuellen Systems. Der Bericht hat sowohl von der Zivilgesellschaft als auch von politischen Akteur*innen Unterstützung erhalten, betonte Yacob Mulugetta, als einer der Autor*innen des Berichts. Im Zentrum seiner Forderung steht die Notwendigkeit einer afrikanischen Strategie, anstatt dass afrikanische Länder Teil europäischer Strategien bleiben. Mit einer nachhaltigen Wende in Afrika sind mehrere strukturelle Herausforderungen verbunden, die berücksichtigt werden müssen. Afrika verfügt über ein großes Potenzial für eine nachhaltige Energieproduktion, wie der Bericht zeigt. Dieses Potenzial muss jedoch in tatsächliche Kapazität umgewandelt werden. Derzeit werden nur 0,34 % des Potenzials genutzt und die Mehrheit der Menschen in Afrika hat keinen Zugang zu Energie. Afrika gibt mehr finanzielle Ressourcen für seine Importe aus, als es durch seine Exporte einnimmt. Afrikanische Länder sind häufig auf Nahrungsmittel- und Energieimporte angewiesen. Die Kreditkosten Afrikas sind achtmal höher als die Österreichs. Daher sind afrikanische Entscheidungsfreiheit und Selbstbestimmung Schlüsselfaktoren. Afrikas nachhaltige Transformation muss mit einem entsprechenden Wirtschaftsplan verbunden sein. Energie muss demokratisiert werden, und zwar auf der Grundlage von Verhandlungen, an denen verschiedene Akteur*innen beteiligt sind. Ernährungssouveränität und nachhaltige Energiesouveränität sind von entscheidender Bedeutung.
Im Vergleich zu Europa trägt Afrika am wenigsten zur Klimakrise bei. Dennoch sollten wir nicht nur auf Nationalstaaten achten, sagte Mulugetta. Nicht jede Person im Globalen Norden ist reich und gerade die Reichen sollten in die Verantwortung genommen werden. Es bleibt jedoch eine Tatsache, dass die Klimafrage kein afrikanisches Problem ist. Mulugetta wies darauf hin, dass es auf der Welt keine wirklich entwickelten Länder im ökologischen Sinne gibt. Alle Länder müssen sich verändern, um tatsächliche Entwicklung zu erreichen.
Elfriede-Anna More, stellvertretende Generaldirektorin für Klima und Energie im österreichischen Bundesministerium für Klimaschutz: Eine gerechte Transformation als Marathon
Elfriede-Anna More, stellvertretende Generaldirektorin für Klima und Energie im österreichischen Klimaschutzministerium, wies darauf hin, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Ein Ziel des Ministeriums ist es, den nachhaltigen Wandel in Afrika durch die Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen in Verbindung mit der Zivilgesellschaft zu unterstützen. Anstatt lediglich Technologie in den Globalen Süden zu transferieren, sollte technologisches Know-how vor Ort erworben und ausgeübt werden. Die Produktion nachhaltiger Energie im Globalen Süden sollte am meisten den lokalen Gemeinschaften zugutekommen.
Österreich versuche sich von russischen Gasimporten und seiner Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu lösen. Die Politik könnte allerdings nur Anreize für die Wirtschaftsakteur*innen setzen, diesen Übergang weiterzuverfolgen. Alle, auch Akteure*innen liberaler Märkte, müssten sich für eine nachhaltige und gerechte Transformation einsetzen.
Fazit: Jede*r hat eine Rolle zu spielen
In der anschließenden Diskussion wurde die Bedeutung der politischen Ebene deutlich. Politische Entscheidungstragende im Globalen Süden und im Globalen Norden haben die Wahl, sich für gerechte Alternativen einzusetzen. Europa muss aufhören, korrupte politische Strukturen in Afrika für die eigene Vermögensanhäufung zu unterstützen, während sich politische Entscheidungstragende in Afrika den Interessen von lokalen Gemeinschaften verschreiben müssen. Mulugetta wies darauf hin, dass gleichzeitig die Handlungsfähigkeit von lokalen Gemeinschaften gefördert werden müsse. Veränderungen könnten von unten nach oben aus kollektivem Handeln erwachsen. Wie Kobusingye es ausdrückte, müssen wir alle bei dieser Wende eine Rolle spielen. Erst wenn wir unseren Beitrag so gut wie möglich geleistet haben, werden wir Veränderungen erfahren.