„Es gibt so viele tolle Initiativen von Diaspora Organisationen, aber leider kaum Förderungen für deren Umsetzung“, so lautet das nüchterne Fazit aus mehreren VIDC Global Dialogue Studien zum Thema Diaspora Engagement in Österreich.
Vor diesem Hintergrund riefen VIDC Global Dialogue und der Verein “Frauen helfen Frauen helfen” ein Förderprogramm für Feministische Diaspora Initiativen in Wien ins Leben. Denn Frauen sind in Diaspora Organisationen besonders aktiv, dennoch sind sie oftmals bei der Leitung der Vereine und Projekte unterrepräsentiert.
Anlässlich des Starts der 2. Projektrunde führte Magda Seewald ein Gespräch mit Vertreterinnen* von einigen der geförderten Projekte: Sigrid Spenger (SOS Balkanroute), Adaora Ofoedu (afriCult) und Lilas Kassoumeh (Verein MIA - Migrant*innen, Integration, Arbeitsmarkt).
Worum geht es bei euren Projekten?
Spenger: Wir von SOS Balkanroute wollen mit afghanischen Frauen einen Frauenchor gründen – eigentlich einen aktivistischen Sprechchor. Bei unseren bisherigen Kundgebungen haben wir gesehen, wie wichtig und empowernd es für afghanische Frauen ist, auf der Bühne zu stehen und zu sprechen. Daher kam die Idee für so einen Chor. Gemeinsam mit dem Choreographen Bernhard Dechant werden die Frauen eine Performance erarbeiten, die sie im Rahmen von Demonstrationen und Kundgebungen vorführen können. Die erste Aufführung ist für den 1. Mai geplant. Wir wollen ihnen damit eine Bühne geben, wo sie zeigen können, dass es afghanische Frauen jenseits der üblichen Klischees gibt. Gleichzeitig kann dabei auch auf die Situation von Frauen in Afghanistan aufmerksam gemacht werden.
Ofoedu: „Yes She Can”, so heißt unser Mentoringprojekt für Frauen und Mädchen aus der Black und People of Color Community (BIPOC). Sie sollen gestärkt und befähigt werden sich politisch zu engagieren und die Medien- und Kommunikationslandschaft in Österreich aktiv mitzugestalten. Dazu haben die Teilnehmer*innen die Möglichkeit lokale und nationale Politiker*innen unterschiedlicher Parteien sowie Medienvertreter*innen kennenzulernen. Wir haben großartige Mentorinnen* für das Projekt gewinnen können: Mireille Ngosso, Faika El-Nagashi, Claudia Unterweger, Vanessa Spanbauer und Clara Akinyosoye. Vorbilder sind so wichtig!
Kassoumeh: Unser aktuelles Projekt heißt „Unleashing Female Potential“. Die Zielgruppe sind Frauen aus der “neueren” arabischen Community. Es ist bereits unser zweites Projekt im Rahmen der Feministischen Diaspora Initiativen. In unserem ersten Projekt „Power-Frauen-Power“ haben wir gesehen, dass es einen großen Bedarf an Beratung und Coaching gibt. Unser neues Projekt besteht aus drei Phasen: 1. Beratung, Berufscoaching und -orientierung für Frauen; die 2. Phase umfasst ein Betreuungsangebot wie z.B. die Unterstützung bei der Anerkennung von ausländischen, universitären Abschlüssen. Die 3. Phase bildet eine Workshopreihe zugeschnitten auf die Interessen und Bedürfnisse der Teilnehmerinnen*. Aktuell sind die Themen Staatsbürgerschaft und Arbeitsrechte, z.B. Kurzarbeit, wichtig.
Wo seht ihr besonderen Bedarf für Frauen in den unterschiedlichen Diaspora Communities?
Kassoumeh: Im Sprachlichen! Für die neuangekommenen Frauen ist es sehr schwer an Informationen zu kommen, weil sie die Sprache nicht verstehen und nicht wissen, wohin sie sich wenden können. Viele Frauen lernen zwar die Sprache und können schreiben, aber nicht wirklich sprechen – hier gibt es Bedarf. Auch Informationen über kulturelle Dinge oder die österreichische Mentalität sind wichtig.
Ofoedu: Ich bin auch Mitbegründerin der Schwarzen Frauen Community. Dort arbeiten wir mit vielen Frauen, die noch nicht so lang in Österreich sind. Das Problem, das ich sehe, ist, wenn von Integration gesprochen wird, wird immer nur von Deutschkursen gesprochen. Deutschkurse sind natürlich am Anfang extrem wichtig. Aber es gibt auch Frauen, die schon sehr lange hier leben – 20, 30 Jahre oder hier geboren sind, und die nicht integriert sind Dies geschieht aufgrund der Tatsache, dass Rassismus existiert, dass Diskriminierung existiert und dass sie sich hier nicht zuhause fühlen und ihnen auch nicht das Gefühl vermittelt wird, hier zuhause zu sein. Hier setzen wir als African Cultural Foundation an, indem wir Räume schaffen, wo diese Menschen Platz finden und sich auch frei fühlen können “in ihrer Haut“. Wir geben ihnen Tipps, wo sie Unterstützung bekommen können, etwa bei rassistischen Übergriffen oder bei der Jobsuche.
Spenger: Unsere Erfahrungen von SOS Balkanroute sind sehr ähnlich. Der Bedarf für die afghanischen Frauen liegt im Empowerment. Viele der Frauen, die bei unseren Kundgebungen gesprochen haben, standen zum ersten Mal auf einer Bühne und haben vor vielen Menschen gesprochen. So ein Empowerment ist wichtig. Der geplante Chor soll für die Frauen eine Art Ventil sein. Denn vielen geht es psychisch sehr schlecht aufgrund der aktuellen Situation in Afghanistan. Die Möglichkeit darüber in der Öffentlichkeit zu sprechen ist dafür ein Ventil – eine Art Psychohygiene.
Wo seht ihr die größten Probleme, Hindernisse für die Arbeit eurer Vereine?
Ofoedu: Ich glaube das größte Hindernis ist das Finanzielle. Für afriCult ist es irrsinnig wichtig keine Freiwilligenarbeit zu haben, denn darauf bauen sehr viele Projekte auf. Alle Menschen, auch die Schwarzen Menschen, die für uns arbeiten, brauchen Geld zum Leben. Aber Mentorinnen* werden natürlich nicht bezahlt. Ein weiteres Hindernis für uns sind die Strukturen, in denen wir arbeiten müssen. Denn diese Strukturen diskriminieren Schwarze Menschen und dagegen müssen wir ständig ankämpfen.
Kassoumeh: Auch für MIA ist das Finanzielle eine große Herausforderung. Wir sind alle berufstätig und es bleibt nur wenig Zeit für Freiwilligenarbeit. Ein Problem im ersten Projekt 2021 war es, österreichische Frauen als Mentor*innen zu finden. Heute ist die Bereitschaft für ein solches ehrenamtliches Engagement im Flüchtlingsbereich nicht mehr so groß wie etwa 2014.
Spenger: Ich kenne die Herausforderungen, wie ihr sie schildert, auch, da ich afghanische Flüchtlinge hier in Österreich begleite und weiß, wie schwierig es ist, eine Wohnung, einen Sprachkurs oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Es scheitert sehr oft am Geld. Es gibt aber auch ein unglaubliches Afghan*innen Bashing in Österreich.
Was waren die positiven Erfahrungen in euren Projekten?
Spenger: Für mich war das Schönste zu sehen, wie die afghanischen Frauen mit denen wir arbeiten bei unseren Kundgebungen die Bühne gestürmt haben. Sie so auf der Bühne zu sehen, ihren Mut zu sehen, das war wirklich das Schönste für mich.
Ofoedu: Wir waren eine der ersten Schwarzen Organisationen in Wien 1997 und das positive daran ist, dass schon etliche Organisationen nachgekommen und sichtbar geworden sind. Für dieses Projekt ist es schön so viele Mentorinnen* zu haben, die so ausschauen wie ihre Mentees. 2013 hatten wir schon einmal ein Mentoringprojekt, aber es wäre damals ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, solche Mentorinnen zu bekommen. Die einzige Person of Color, die wir damals hatten, war Alev Korun, wofür wir sehr dankbar waren. Ich glaube es ist unser Erfolg und der der anderen Organisationen, dass es heute so viele Personen gibt, um ein solches Projekt durchzuführen.
Kassoumeh: Ich selbst habe sehr viel von unseren Teilnehmerinnen* gelernt. Ich habe gelernt, dass nichts unmöglich ist. Zusammen kann man alles schaffen. Viele Frauen haben einen Berufswunsch und wir haben es zusammen geschafft, dass zehn Frauen einen Job oder eine Ausbildung gefunden haben. Gemeinsam können wir unsere Träume erreichen (22. März 2022).