Der Afrika Club ist ein informelles Diskussionsforum von Afrika-Interessierten aus öffentlichen Institutionen, der afrikanischen Diaspora, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Medien. Themen sind aktuelle Entwicklungen in Afrika, EU-Afrika Beziehungen und die Situation der Diaspora. Ziele sind der Informationsaustausch - aus unterschiedlichen Perspektiven - und der Aufbau von Wissensnetzwerken.
Neuerliche Militarisierung und Konfliktmineralien
Dieser Bericht befasst sich mit den eskalierenden Konflikten, der humanitären Krise und dem erneuten Wettlauf um Mineralien in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) und der Region der Großen Seen, wie sie beim jüngsten Africa Clubs diskutiert wurden. Alexis Neuberg (RATV) begrüßte die Teilnehmer*innen und beschrieb die Rolle und Ziele des seit 13 Jahren bestehenden Afrika Clubs. Franz Schmidjell (VIDC) skizzierte die Bedeutung des heutigen Themas. Dazu gehören die starke Militarisierung und die schwere humanitäre Krise in der Region sowie die Vertreibung von über sieben Millionen Menschen. Er erwähnte auch den neuen Wettlauf um Rohstoffe, der durch die grüne Transformation ausgelöst wurde.
Die Moderatorin Gracia Ndona, eine freiberufliche Journalistin und Mitbegründerin von ADOE (Afrikanische Diaspora in Österreich), strukturierte die Diskussion in zwei Hauptteile und beschrieb den historischen Kontext. Sie hob die Aktivitäten der Militärgruppe M23 (Mouvement du 23-Mars) in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) hervor, die durch die Eroberung von Gebieten und die Vertreibung von Menschen in der Region an Boden gewinnt.
Liberalisierung nach dem Bergbaugesetz von 2002
Nsula Nicolas, Vertreter des Vereins Fraternität Kongo, bedankte sich für die Gelegenheit, die aktuelle politische und konfliktreiche Situation in der DR Kongo anzusprechen. Er erklärte, dass die Reform des Mineraliensektors mit dem Bergbaugesetz von 2002 unter internationalem Druck zustande kam und die Kontrolle über die Rohstoffe von staatlichen zu privaten Unternehmen verlagerte. Dieser Politikwechsel wurde durch das Embargo gegen die DR Kongo in den 1990er Jahren beeinflusst, dass die Förderung von Mineralien einschränkte und Forderungen nach einer Liberalisierung auslöste. Trotz dieser Reformen wies Nicolas darauf hin, dass die Liberalisierung des Rohstoffsektors den Kleinbergbau nicht wirksam regulierte, was zu zunehmender Korruption, illegalem Bergbau und Umweltzerstörung führte. Private Unternehmen bauten den informellen Bergbau ohne angemessene Aufsicht aus, beuteten neue Lagerstätten aus und ließen die Umweltfolgen unbehandelt. Diese Situation verschärfte die Konflikte um den Zugang zu Mineralien aufgrund konkurrierender Interessen und der Beteiligung verschiedener Gruppen. Nicolas hob internationale Initiativen hervor, die sich mit Konfliktmineralien befassen, stellte jedoch fest, dass diese in der Praxis nur begrenzt erfolgreich sind. Er unterstrich die Spannungen zwischen geopolitischen Blöcken, aber auch mit einzelnen Ländern wie Ruanda, die die Realitäten in der DR Kongo verschleiern.
Der lange Weg zur EU Verordnung über Konfliktmineralien
Magdalena Pupp, Expertin für mineralische Rohstoffe im österreichischen Finanzministerium, erörterte die Politik der EU zu den Lieferketten für mineralische Rohstoffe und deren Entwicklung im Laufe der Zeit. Sie betonte die entscheidende Bedeutung mineralischer Rohstoffe zur Deckung der Grundbedürfnisse und die hohe Nachfrage nach diesen Rohstoffen in Europa. Pupp wies darauf hin, dass Europas Abhängigkeit von rohstoffreichen Ländern, insbesondere von Ländern in Konflikt- und Hochrisikogebieten wie der Region der Großen Seen, erhebliche Herausforderungen mit sich bringt. Sie skizzierte die historischen Veränderungen bei der Ausbeutung von Mineralien: von den europäischen Kolonialmächten, die im 19. Jahrhundert direkte Kontrolle ausübten (wie König Leopold von Belgien im Kongo), bis hin zu kommerziellen Akteuren, die nach der afrikanischen Unabhängigkeit Mitte des 20. Jahrhunderts die Macht übernahmen. In den 1990er Jahren wurde die Verantwortung der Unternehmen immer stärker betont. Dem folgte eine Verlagerung hin zur Verbraucherverantwortung in den 2000er Jahren, wobei das Konzept der Sorgfaltspflicht an Bedeutung gewann. Pupp erörterte internationale Bemühungen wie die „Internationale Konferenz der Region der Großen Seen“ (gegründet 2009) und die OECD-Richtlinien für verantwortungsvolle Mineralienlieferketten (initiiert 2011). Diese Bemühungen gipfelten 2017 in der EU-Verordnung über Konfliktmineralien, die Sorgfaltspflicht von der Mine bis zur Fabrik vorschreibt. Mit Blick auf die Zukunft erwähnte Pupp den „Critical Raw Materials Act“ der EU von 2024, der darauf abzielt, die Abhängigkeit von externen Ressourcen zu verringern, das Recycling zu steigern, die inländische Produktion zu fördern und die Lieferketten zu diversifizieren. Sie betonte auch die Absicht der EU, Erzeugerländern bei der lokalen Wertschöpfung zu unterstützen. Sie hob Standards für Sorgfaltspflicht hervor, um Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit und Umweltzerstörung zu verhindern.
Die Geschichte des Konfliktes und die Rolle der Nachbarländer
Georg Lennkh, ehemaliger Botschafter und Afrika-Gesandter sowie Vorstandsmitglied im Bruno Kreisky Forum, lieferte einen umfassenden Bericht über die historischen Ereignisse, die die Region der Großen Seen und insbesondere die DR Kongo beeinflussten. Er sprach über das Buch „Africa's World War“ von Gérard Prunier, wobei er dessen detaillierte Untersuchung der Konflikte in der Region betonte und hervorhob, dass die Geschichte nicht mit dem Krieg selbst beginnt oder endet. Lennkh berichtete über den bedeutenden Auslöser des Völkermords an den Tutsi in Ruanda im Jahr 1994, der zu einem massiven Zustrom von Hutu-Flüchtlingen in die DR Kongo führte und lokale Spannungen verschärfte. Er erwähnte eine entscheidende Konferenz vor dem Völkermord, die vom ehemaligen tansanischen Präsidenten Julius Nyerere organisiert wurde und an der wichtige Persönlichkeiten wie Ugandas Yoweri Museveni, Ruandas Paul Kagame sowie Politiker aus Angola und Burundi teilnahmen, wo sie über die Notwendigkeit diskutierten, das Regime von Mobutu Sese Seko in Zaire (der heutigen DR Kongo) zu beenden, um die Region zu stabilisieren. Laurent-Désiré Kabila, ein Rebellenführer aus dem nordöstlichen Katanga, wurde zu einer Schlüsselfigur in dieser Erzählung. Lennkh stellte fest, dass die Allianz mit Museveni und Kagame entscheidend zu Kabilas Sturz 1997 war. Damit veränderte sich die politische Landschaft der DR Kongo erheblich. Lennkh ging auch auf die breiteren Bestrebungen neuer, junger afrikanischer Politiker*innen ein, die die politische Landschaft der Region modernisieren und umgestalten wollten, was einen Wandel hin zu einer fortschrittlichen Regierungsführung widerspiegelt.
Friedensinitiativen und deren bisheriges Scheitern
Charles Barisa, ein Experte für Kinderschutz, Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung (DDR), erörterte laufende Initiativen, die darauf abzielen, die Gewalt in der DR Kongo einzudämmen und eine Eskalation zu verhindern. Barisa betonte, dass der aktuelle Konflikt bereits vor 2022 auf regionaler Ebene begonnen hat. Die DR Kongo schloss militärische Abkommen mit Ländern wie Uganda und Burundi, die sich gegen bewaffnete Gruppen wie die Allied Democratic Forces (ADF) und die Democratic Forces for the Liberation of Rwanda (FDLR) richteten, mit dem Ziel, die Eskalation des Konflikts zu verringern. Diese Abkommen waren Teil einer breiteren regionalen Zusammenarbeit zur Stabilisierung der Lage. Barisa wies auch auf die Beteiligung der DR Kongo an regionalen Organisationen wie der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) und der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) hin. Die DR Kongo ersuchte um Unterstützung durch Nachbarländer und regionale Organisationen. Der Friedensprozess von Nairobi konzentrierte sich auf die bewaffneten Gruppen und forderte einen Waffenstillstand und die Rückführung ausländischer Streitkräfte. Der Nairobi-Prozess ermutigte lokale bewaffnete Gruppen, sich den neu eingerichteten Programmen zur Demobilisierung und Wiedereingliederung anzuschließen. Die eingesetzten Regionalen Streitkräfte der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EACRF) haben ihre Ziele aufgrund ihrer umstrittenen Zusammensetzung, insbesondere der Rolle der ugandischen und burundischen Truppen, nicht erreicht. Der Friedensprozess von Luanda befasst sich mit den politischen Dimensionen zwischen der DR Kongo und Ruanda. All diesen Bemühungen stehen laut Barisa Herausforderungen wie interne Streitigkeiten, unterschiedliche nationale Interessen und die Fragmentierung der internationalen Bemühungen gegenüber. Die Beteiligung der von Südafrika geführten SADC-Mission stieß auf Hindernisse, die ihre Wirksamkeit bei der Bewältigung des Konflikts beeinträchtigten. Die MONUSCO-Truppen (Stabilisierungsmission der UNO in der DR Kongo) haben ihren Abzug begonnen. Sie sind seit 25 Jahren in der DR Kongo, konnten aber die Eskalation des Konflikts nicht verhindern.
Positionen und Kommentare aus den Teilnehmerdiskussionen
Historischer Kontext und Fragen der Staatsführung. Die Teilnehmer*innen wiesen auf die Instabilität in der DR Kongo seit der Ermordung von Patrice Lumumba im Jahr 1960 hin und führten die Krisen auf ausländische Interessen zurück, die sich hauptsächlich auf die Ausbeutung der Bodenschätze des Landes konzentrierten. Sie erörterten, wie das Regierungssystem in der DR Kongo durch diese externe Einmischung beeinträchtigt wurde, was zu anhaltenden Konflikten und Instabilität führte.
Die Teilnehmer*innen kritisierten die Rolle ausländischer Unternehmen bei der Verschärfung der Konflikte. Sie betonten, dass diese Unternehmen, die von langfristigen Bergbaukonzessionen profitieren, die Unruhen aufrechterhalten und die lokale Bevölkerung vertreiben. Das Bergbaugesetz 2002 bzw. 2018, das ausländische Unternehmen begünstigt, wurde als ein großes Problem bezeichnet, da es die kongolesische Bevölkerung um ihr Land und ihre natürlichen Ressourcen bringt. Die Diskussion berührte auch die historischen und ethnischen Spannungen in der Region, insbesondere zwischen Tutsis und Hutus aus Ruanda, die auf die DR Kongo übergreifen. Dies hat zur Konfliktdynamik in dem Land beigetragen.
Einige Teilnehmer kritisierten die falschen Behauptungen, die Präsenz ruandischer Truppen an der Seite der M23 sei wegen der FDLR-Miliz notwendig. Doch die FDLR sei schon lange keine relevante Kraft mehr, die Ruanda destabilisieren könne. Die DR Kongo habe Ruanda wiederholt erlaubt, auf kongolesischem Gebiet zu operieren, um diese so genannten Rebellen zu bekämpfen. Einige Teilnehmer widersprachen auch der Aussage, dass die Tutsi in der DR Kongo diskriminiert würden. Diese Behauptung wird von der Regierung in Kigali als Vorwand benutzt, um ihre Präsenz in der DR Kongo fortzusetzen und deren natürliche Ressourcen auszubeuten.
Ein Teilnehmer forderte Österreich als Mitglied der EU auf, seinen Einfluss auf europäischer Ebene geltend zu machen, um gegen die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen vorzugehen.
Mehrere Teilnehmer*innen brachten die Ursachen der Konflikte in der DR Kongo und anderen afrikanischen Regionen mit dem Kolonialismus in Verbindung. Sie kritisierten das Erbe der kolonialen Grenzen und Regierungsstrukturen, die sich immer noch negativ auf die lokale Bevölkerung auswirken und zu Entmündigung und mangelnder demokratischer Beteiligung führen.
Die Rolle der EU. Die Teilnehmer*innen bemängelten, dass es der EU im Vergleich zu ihrem raschen Handeln in anderen internationalen Krisen, wie etwa in der Ukraine, an Konsequenz fehle. Es wurde gefordert, dass die EU die Menschenrechtsverletzungen und die Kinderarbeit in Zusammenhang mit dem Abbau von Bodenschätzen konsequenter angehen solle.
Waffenlieferungen und Heuchelei. Einige Teilnehmer*innen hinterfragten die Herkunft von Waffen, die in Konflikten in Afrika eingesetzt werden, und betonten, dass Afrika diese Waffen nicht herstellt. Es wurde Skepsis gegenüber den Motiven westlicher Länder in afrikanischen Angelegenheiten geäußert und ihnen vorgeworfen, ihre eigenen Interessen auf Kosten der afrikanischen Entwicklung und Stabilität zu verfolgen.