SPOTLIGHT Dezember 24: Fokus Internationale Zusammenarbeit

Das Online-Magazin Spotlight erscheint vierteljährlich. Im Zentrum der aktuellen Dezember-Ausgabe stehen diesmal die europäische Außen- und Entwicklungspolitik und internationale Zusammenarbeit. Wir schauen wir einerseits auf die Umbrüche in der EU-Außen- und Wirtschaftspolitik und was das für Fragen der Geschlechtergerechtigkeit bedeutet, auf die die Ergebnisse der Weltklimakonferenz COP29 in Baku sowie auf den Wiener Prozess für ein demokratisches Afghanistan.
 

 

Die im Dunklen sieht man nicht? - Der Schattenfinanzindex 2020

von Martina Neuwirth (VIDC)

VIDC online Magazin Spotlight

Dieser Artikel erschient im VIDC online magazin Spotlight 51/März 2020. Wenn Sie das vierteljährliche online Magazin Spotlight, sowie Einladungen und Dokumentationen des VIDC erhalten wollen, klicken Sie bitte hier.

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© Lee Russell-NYPL/Unsplash

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Der Schattenfinanzindex kombiniert den Grad an Geheimhaltung/Intransparenz mit der Größe des Finanzplatzes. Er ist die weltweit umfassendste Untersuchung dieser Art und wird in Österreich vom VIDC und Attac gemeinsam mit dem Tax Justice Network herausgegeben. Der Index errechnet sich aus dem anhand von 20 Indikatoren errechneten Geheimhaltungswert und dem Anteil des jeweiligen Landes am globalen Markt für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen. Er könnte Regierungen eine Richtlinie bieten, inwieweit in ihrem Land noch Maßnahmen für mehr Transparenz im Finanzsektor notwendig sind – einem wichtigen Instrument gegen Steuerbetrug und die wachsende globale Ungleichheit.

Neben den aufstrebenden Schattenfinanzzentren Hong Kong und Singapur (Platz 4 und 5) liegen mit Luxemburg und den Niederlanden auch zwei EU-Staaten unter den Top 10 des Index (Platz 6 und 8). Österreich konnte sich gegenüber 2018 nicht verbessern und liegt weiterhin im oberen schlechten Drittel auf Platz 36.

Positive wie negative internationale Trends

Für 2020 dokumentiert der Index erfreulicherweise leichte Verbesserungen an Transparenz im globalen Finanzsystem, weil Staaten verstärkt am automatischen Informationsaustausch der Steuerbehörden teilnehmen, ihr Bankgeheimnis abschwächen oder verlangen, dass die Eigentümer*innen von Trusts, Firmen, Stiftungen oder Immobilien in einem (im Idealfall öffentlichen) Register erfasst werden. Wenig Fortschritte gibt es auf globaler Ebene aber bei der Steuertransparenz von Konzernen: Obwohl immer mehr Konzerne bereits freiwillig länderweise aufgeschlüsselt ihre Steuer- und Gewinndaten veröffentlichen, gibt es auch in der EU immer noch keine Offenlegungspflichten für alle großen Firmen. Immerhin müssen in Europa die Banken und Rohstoffunternehmen länderspezifische Berichterstattungen bereits veröffentlichen.Doch vor allem anglo-amerikanische Finanzzentren wie die Cayman Islands, die USA und Großbritannien trotzen diesem internationalen Trend. Die Cayman Islands stehen an der Spitze des diesjährigen Schattenfinanzindex. Sie sind das globale Zentrum für Hedgefonds, die Briefkastenfirmen, Trusts und Limited Partnerships für ihre intransparenten Geschäfte nutzen. Auch Konzerngewinne werden in hohem Ausmaß auf die Inseln verschoben. Ausländische Vermögen übersteigen das nationale BIP der Caymans bereits um mehr als das 1.500fache.

Die USA, auf Platz 2, verweigern nicht nur die Teilnahme am automatischen Informationsaustausch der Steuerbehörden. Das Ausmaß an Geheimhaltung hat sich sogar noch erhöht – etwa durch ein neues Gesetz, das intransparente Privatstiftungen in New Hampshire ermöglicht. Immerhin sind für 2020 einige Gesetze in Planung, um das US-Finanzsystem besser vor Missbrauch zu schützen. Großbritannien hat sich im Index vom 23. auf den 12. Platz vorgeschoben und verzeichnet die größte Zunahme an Intransparenz. Dieser Trend setzt sich auch in seinen Überseegebieten und Kronbesitzungen fort. Von ihnen erhält die City of London einen großen Teil seiner intransparenten Finanzströme – darunter die Cayman Islands (Platz 1), die Britischen Jungferninseln (Platz 9) und Guernsey (Platz 11). Ob sich diese Entwicklung mit dem Brexit fortsetzt, bleibt abzuwarten. Vor allem für EU-Staaten könnte dies eine Gefahr darstellen.
Die Schweiz, seit 2011 unangefochtene Nummer 1 des Index, rangiert 2020 ‚nur‘ noch auf dem dritten Rang, weil die Schweizer Steuerbehörden mehr als bisher Steuerdaten automatisch mit anderen Ländern austauschen. Doch das berühmte Schweizer Bankgeheimnis bietet vor allem Vermögenden aus Entwicklungsländern noch immer Schutz, da die Schweiz mit diesen Ländern keine Kooperationsabkommen abschließen will.

Österreich im schlechten ersten Drittel – Nachbar Slowenien am transparentesten

Österreich hat sich seit 2018 nur um einen Platz, von 35 auf 36, verbessert. Österreich schneidet vor allem bei der internationalen Zusammenarbeit, wie dem automatischen Datenaustausch, gut ab. Den größten Verbesserungsbedarf zeigt der Index für Österreich weiterhin bei der Transparenz von Eigentum und Unternehmen. Firmen- und Grundbuch sind zwar öffentlich, aber nicht kostengünstig (über 10 Euro pro Abfrage) zugänglich. Das Register der wirtschaftlichen Eigentümer*innen von Unternehmen, Stiftungen und bestimmten Treuhandschaften ist ab Jänner 2020 zwar eingeschränkt öffentlich zugänglich, aber auch dies ist nicht kostenlos. Überdies gehört Österreich noch immer zu jenen Ländern, die sich dagegen sträuben, dass multinationale Konzerne öffentlich berichten müssen, wo sie tätig sind und wie viel Steuern sie dort zahlen. Der EU-Hauptausschuss des Parlaments hat die Bundesregierung im Dezember 2019 zwar dazu verpflichtet, auf europäischer Ebene für mehr Steuertransparenz zu stimmen und „eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu verhindern“. Das Finanzministerium beharrt jedoch auf seinen Vorbehalten und erklärte in einem Schreiben an das VIDC lediglich, diese Stellungnahme „entsprechend zu evaluieren“.
Welche Verbesserungen möglich sind, zeigt ein Vergleich mit Slowenien. Unser Nachbar weist den geringsten Geheimhaltungswert des Index auf. Das Land, in dem es weder Trusts, noch Treuhandschaften, noch Privatstiftungen gibt, kann vor allem damit punkten, dass viele Informationen kostenlos frei zugänglich sind. Dazu gehören insbesondere Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer*innen von Unternehmen. Jahresabschlüsse sind ebenfalls kostenlos einsehbar, und die Daten sind im Open Data-Format durchsuch- und herunterladbar.

Forderungen nach mehr Transparenz

Durch Steuerbetrug und Steuervermeidung gehen den Staaten und damit der Allgemeinheit jährlich noch immer mehrere hundert Milliarden Euro verloren. Daher sind im Kampf gegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption drei Maßnahmen entscheidend: (1) Kein anonymer Besitz: Die rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentümer*innen von Unternehmen, Immobilien, Stiftungen oder Trusts sollten in allen Ländern registriert werden. Das kann am besten durchgesetzt werden, wenn das mächtige globale Antikorruptionsgremium, die Financial Action Task Force (FATF), die Einrichtung solcher Register in ihre Standards aufnimmt. (2) Mehr Steuertransparenz von Konzernen: Staaten sollten multinationale Konzerne zu länderweisen Finanzberichten über ihre weltweiten Tätigkeiten verpflichten sowie die Steuerabsprachen zwischen Konzernen und Staaten veröffentlichen. (3) Effektivere internationale Kooperation: Es braucht eine Verbesserung des nach wie vor löchrigen automatischen Informationsaustauschs von Steuerdaten.
Beispielsweise könnten Staaten Unternehmen, die in Ländern ohne öffentliche Eigentümer*innen-Register oder verpflichtende länderweise Finanzberichte ansässig sind, höhere Transparenzauflagen verordnen.

Länder des Globalen Südens brauchen mehr Unterstützung

Länder des globalen Südens leiden nach wie vor am stärksten unter der Gewinnverschiebung multinationaler Konzerne und illegitimen Finanzströmen. Die meisten werden auch nicht von den derzeit diskutierten internationalen Reformen profitieren, die wahrscheinlich nur Ländern mit einem großen Konsument*innen-Markt mehr Steuereinnahmen bringen werden.  Und ausgerechnet den ärmsten Ländern wird die Teilnahme am Austausch von Steuerdaten zwischen den Finanzbehörden erschwert. Sie haben oft nicht die Kapazitäten, um selbst automatisch Daten zu liefern und dürfen daher auch keine erhalten. Österreich sollte sich daher in der EU und bei der OECD dafür einsetzen, dass diese Länder einen gerechteren Anteil an den Steuereinnahmen erhalten und dass sie am internationalen automatischen Austausch von Steuerdaten beteiligt werden, auch wenn sie selbst noch keine Daten liefern können (12. März 2020).

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