SPOTLIGHT September 24: Fokus Naher & Mittlerer Osten

Das Online-Magazin Spotlight erscheint vierteljährlich. In der aktuellen September-Ausgabe schauen wir einerseits in die Brennpunktregion Naher & Mittlerer Osten und richten den Blick andererseits auf Österreich.

 

Can private finance save the planet?

Über die Rolle privater Finanzflüsse für die grüne Transformation in Afrika.

Programm


Joseph Upile Matola

Ökonom am South African Institute of International Affairs (SAIIA)

Ann Pettifor

Politökonomin, Buchautorin und Fellow der Academy of Social Sciences in London

Fadhel Kaboub

Präsident des Global Institute for Sustainable Prosperity, Kenia, und Professor an der Denison University, USA

Eröffnung und Moderation

Martina Neuwirth, VIDC Global Dialogue

Autorin

Aleksandra Wojewska (Universität Wien/VIDC)


Das Webinar-Gespräch am 24. Oktober 2023 drehte sich um die Rolle privater Finanzmittel für einen grünen und gerechten Übergang im Kontext des weltweit wachsenden Bedarfs an klimabezogenen Finanzströmen, mit Fokus auf Afrika. Nach den Begrüßungsworten von Martina Neuwirth (VIDC Global Dialogue) diskutierten Joseph Upile Matola (Ökonom am South African Institute of International Affairs, SAIIA), Ann Pettifor (politische Ökonomin, Autorin und Fellow an der Academy of Social Sciences in London) und Fadhel Kaboub (Präsident des Global Institute for Sustainable Prosperity, Kenia, und Professor an der Denison University, USA).

"Private Finanzierung kann und sollte eine größere Rolle spielen, indem sie Kapital in Richtung grüne Investitionen umleitet"

Nach der Vorstellung der Sprecher*innen und der zentralen Ziele des Webinars bat Martina Neuwirth Joseph Upile Matola darum, die potenzielle Rolle der privaten Finanzierung bei der Anpassung an den Klimawandel und dem grünen Übergang, mit Fokus auf Afrika, zu charakterisieren. Matola bemerkte, dass global betrachtet bis 2030 jährlich 4,3 Billionen USD erforderlich sind, um die internationalen Klimaziele zu erreichen – eine besorgniserregende Zahl, insbesondere da die Klimafinanzierung im Jahr 2021 nur auf geschätzte 850 Milliarden USD beziffert wurde. Daher muss die Lücke zwischen dem Bedarf und den verfügbaren Mitteln dringend angegangen werden. Er betonte auch das globale Ungleichgewicht in diesem Zusammenhang und stellte fest, dass afrikanische Länder zu den geringsten Emittenten gehören, jedoch die Auswirkungen des Klimawandels am meisten zu spüren bekommen und daher einen zunehmenden Finanzbedarf für Anpassungsmaßnahmen haben. Insbesondere wies er auf zwei Herausforderungen in Afrika im Bereich der Klimafinanzierung hin, die die Fähigkeit afrikanischer Staaten zur Mobilisierung ausreichender Ressourcen einschränken. Erstens das Problem, die Finanzierungsbedürfnisse für den Klimaschutz, die in den Nationalen Klimabeiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) festgelegt sind, mit konkurrierenden sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Dies wurde besonders während der Covid-19-Pandemie deutlich, als die meisten afrikanischen Länder ihre Klimainvestitionen reduzieren mussten, um prioritär die durch die Pandemie verursachten Probleme anzugehen.

Zweitens nannte er die nicht erfüllten Verpflichtungen der internationalen Gemeinschaft, insbesondere das Versprechen auf der COP15 in Kopenhagen, den Ländern des Globalen Südens bis 2020 jährlich 100 Milliarden USD bereitzustellen. Aufgrund dieser Herausforderungen bei der Mobilisierung von Finanzmitteln durch afrikanische Staaten sah Matola eine Rolle für private Finanzmittel, um die Klimafinanzierungslücke zu verringern. Insbesondere betonte er, dass dem Privatsektor in Bezug auf die Finanzierung von NDCs nicht ausreichend Beachtung geschenkt wurde, da der Fokus hauptsächlich auf bilateraler und multilateraler öffentlicher Finanzierung läge. Er betonte, dass inländisches privates Kapital damit aufgestockt werden könnte (leveraging). Außerdem verwies er auf afrikanische Pensionsfonds, die 700 Milliarden USD an Vermögenswerten aufweisen. Jedoch unterstütze ein Großteil der inländischen privaten Investitionen derzeit "braune" Sektoren, während dieses Kapital in Richtung grüner Investitionen umgeleitet werden sollte. Zum Abschluss schlug Matola verschiedene Instrumente wie Public Private Partnerships (PPPs) und gemischte Finanzierungen vor, die von Staaten genutzt werden können, um grüne private Investitionen zu fördern und Risiken zu mindern.

„(E)s ist unbedingt nötig, dass afrikanische Regierungen den Fokus auf die eigene Wirtschaft richten und zu ihren eigenen Bedingungen nachhaltiger werden“

Auf die Frage nach Einsichten aus systemischer Sicht zur Rolle der grünen privaten Finanzierung nahm Ann Pettifor eine kritische Haltung ein. Sie wies auf die übergroße Rolle hin, die die Finanzmärkte bei der Steuerung der Wirtschaft spielen - eine Art unfreiwillige Regierung, die entscheidende wirtschaftliche Faktoren wie Zinssätze, Wechselkurse und Kapitalflüsse bestimmt. Daher forderte sie eine tiefgreifende Transformation des globalen Finanzsystems. Laut Pettifor dienten die aktuellen Strukturen nur den Interessen der wohlhabenden Eliten, auf Kosten der Mehrheit. Mit Blick auf den afrikanischen Kontinent, und obwohl sie den großen Finanzierungsbedarf für Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen anerkannte, würden private Investor*innen in Zeiten steigender Zinssätze weltweit immer höhere Renditen für ihre Investitionen verlangen würden. Diese Renditen müssten von den afrikanischen Volkswirtschaften generiert werden, was eine weitere Ausbeutung afrikanischer Ressourcen bedeute. Darüber hinaus fehle es den privaten Finanzierern laut Pettifor an der Entschlossenheit, die mit klimabezogenen Investitionen verbundenen Risiken zu übernehmen. Kritisch gegenüber dem, was sie als eine neue Form des Kapitalismus betrachtet, argumentierte sie, dass der Privatsektor zunehmend Verluste vermeide und stattdessen auf staatliche Unterstützung, also die der Steuerzahler*innen, angewiesen sei. Daher sprach sich Pettifor unter solchen Bedingungen dafür aus, dass afrikanische Länder Klimafinanzierung aus privaten Quellen ablehnen sollten. Die starke Ausrichtung Afrikas auf globale Kapitalmärkte habe ihren Ursprung in den Programmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank seit den 1980er Jahren, die auf Exportorientierung abzielten. Dies führte zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten und einer Vernachlässigung der heimischen Wirtschaft. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, ausländische private Investor*innen anzuziehen, forderte sie afrikanische Regierungen auf, ihre Wirtschaft auf eine nachhaltige Binnenorientierung umzustellen, insbesondere angesichts einer drohenden globalen Finanzkrise. Sie betonte die Bedeutung nationaler Währungen und wirtschaftlicher Eigenständigkeit und erkannte dabei den Wert internationaler Zusammenarbeit in anderen Bereichen, wie Handel und Kultur, an.

"Wir sprechen über eine Finanzarchitektur, die kolonial ist und die wirtschaftlich und ökologisch versagt hat"

Auf die Frage, wie die historische Positionierung afrikanischer Länder in der globalen Finanzarchitektur mit den Diskussionen über die Rolle der privaten Klimafinanzierung zusammenhängt, folgte Fadhel Kaboub mit einer kritischen Reflexion. Er betonte, dass die koloniale Verwurzelung der globalen Finanz- und Handelsarchitektur, die afrikanischen Ländern wirtschaftlich und ökologisch keinen Nutzen bringt. Er hob hervor, dass afrikanische Staaten in dieser eine untergeordnete Rollen einnehmen und hohe Auslandsschulden Symptome von Volkswirtschaften sind, die global gesehen nur als Rohstoffquellen, Produkt-Müllhalden und Standorte veralteter Industrienn sowie als billige Tourismusziele dienen. In diesem Zusammenhang sei es wichtig, Klimafinanzierung im Hinblick auf Klimaverantwortung zu diskutieren, insbesondere durch Konzepte wie Klimaschulden und Klimareparationen. Kaboub erklärte, dass diese Konzepte betonen, dass jene Länder, oder besser Regierungen, die bereits seit Langem hohe Emissionen produzierten, für die Auswirkungen der Klimakrise haftbar gemacht werden sollten. Insbesondere Regierungen im Globalen Norden hätten den fiskalpolitischen Spielraum, um notwendige Maßnahmen in ihren eigenen Ländern zu treffen und gleichzeitig den durch den Klimawandel verursachten Schaden zu beheben und einen gerechten Übergang im Globalen Süden zu ermöglichen. Er betonte jedoch auch, dass dies nicht bedeutet, dass private Finanzierung keine Rolle spielen sollte. Finanzströme, die die untergeordnete wirtschaftliche Position afrikanischer Länder verstärken, sollten jedoch abgelehnt werden. Nur Ströme, die die Transformation bestehender Strukturen unter klar definierten Bedingungen unterstützen, sollten erlaubt sein. Angesichts der Notwendigkeit struktureller Transformation in afrikanischen Ländern und einer Dekolonisierung des globalen Systems identifizierte er Defizite in den Bereichen Energie, Lebensmittel und (industrieller) Produktion als tief verwurzelte Probleme mit kolonialen und postkolonialen Ursprüngen. Fadhel Kaboub betrachtete externe Schulden als Symptom und nicht als Ursache, da strukturelle Mängel zu Handelsdefiziten, Währungsabwertungen und inflationsbedingtem Druck beitragen. Um diese Abhängigkeiten umzukehren, schlug Kaboub eine panafrikanische Zusammenarbeit für strategische Investitionen in drei Schlüsselbereichen vor - Ernährungssouveränität und Agroökologie, Souveränität bei erneuerbaren Energien sowie Politiken für eine industrielle Wertschöpfung mit hohem Mehrwert, die es den Ländern ermöglichen würde, in den Wertschöpfungsketten aufzusteigen. Kaboub betonte wie Pettifor, dass die Fähigkeit afrikanischer Länder, Investitionen nach ihren eigenen Prioritäten zu lenken, eng mit dem Erreichen eines höheren Grades an monetärer Souveränität verbunden ist. Am Beispiel seines Heimatlandes Tunesien erklärte Kaboub, dass eine Stärkung der inländischen Lebensmittel- und Energieproduktion positive Auswirkungen auf Inflation, Wechselkurse, Auslandsschulden oder den CO2-Fußabdruck Tunesiens haben würde. Alles hänge jedoch von der Regulierungs- und Wirtschaftsförderungskapazitäten der Regierung sowie von den produktiven Kapazitäten des Landes ab. Um letztere zu stärken, sei auch internationale Zusammenarbeit erforderlich.

In der folgenden Diskussion erläuterten die Sprecher*innen die Möglichkeiten von privater und öffentlicher Klimafinanzierung. Matola stimmte der Feststellung zu, dass in der gegenwärtigen Form des Kapitalismus erhebliche Risiken im Zusammenhang mit privaten Klimainvestitionen verbunden sind. Er wies jedoch auch auf die schlechte Erfolgsbilanz afrikanischer Regierungen bei der Mobilisierung von Geldern für Klimamaßnahmen hin. Er betonte, dass eine stärkere Rolle privater Finanzmittel nicht nur die Einbindung großer Konzerne, sondern auch die Neuausrichtung von lokalen privaten Finanzströmen auf den Klimabereich impliziere. Diese Ausrichtung sollte durch klare und solide regulatorische Maßnahmen auf dem gesamten Kontinent unterstützt werden. Pettifor betonte jedoch, dass privates Kapital bisher zögerlich war, Investitionen von braunen zu grünen Sektoren umzuleiten, weshalb private Finanzströme nicht mit den Klimazielen im Einklang stünden. Sie verwies dabei auf die hohen Renditen für Investitionen in der Ölindustrie, die immer noch durch staatliche Subventionen unterstützt würden - Subventionen, die großzügiger bemessen seien als jene für saubere Energien. In der Beantwortung einer Publikumsfrage zu den Chancen von Kohlenstoffmärkten äußerte Kaboub Skepsis, da er erwarte, dass Verschmutzende weiterhin emittieren und die mit Kohlenstoffgutschriften verbundenen Kosten eher an die Verbraucher*innen weitergeben würden, viele davon im Globalen Süden.

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