SPOTLIGHT September 24: Fokus Naher & Mittlerer Osten

Das Online-Magazin Spotlight erscheint vierteljährlich. In der aktuellen September-Ausgabe schauen wir einerseits in die Brennpunktregion Naher & Mittlerer Osten und richten den Blick andererseits auf Österreich.

 

Aktuelle Entwicklungen im Asyl-, Staatsbürgerschafts- und Fremdenrecht in Österreich

Bericht vom Online Seminar am 5. Mai 2021

Unterlagen zur Veranstaltung

Präsentation von Norbert Kittenberger

Veranstaltungsbericht Arabisch übersetzt von Afrah Najm

Veranstaltungsbericht Dari übersetzt von NEUER START

Veranstaltungsbericht Pashto übersetzt von NEUER START

Programm

Dr. Norbert Kittenberger, BA

ist Jurist mit Spezialisierung auf Asyl- und Fremdenrecht. Er ist seit 2011 in diesem Rechtsbereich tätig, zunächst bei "Asyl in Not", wo er von 2013 bis Anfang 2018 die Rechtsberatungsabteilung leitete, später als Autor und Vortragender. Aktuell arbeitet er als Rechtsanwaltsanwärter bei Dr.in Julia Ecker, deren Kanzlei auf Asyl- und Fremdenrecht, Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht und Staatsbürgerschaftsrecht spezialisiert ist. Seine Dissertation schrieb er zu "Art 3 und Art 8 EMRK in der europäischen und österreichischen Asylrechtsprechung".

Shokat Ali Walizadeh

ist Geschäftsführer des afghanischen Sport- und Kulturvereins NEUER START. Er ist 2008 nach Österreich gekommen. In Zusammenarbeit mit dem VIDC hat er u.a. Trainings zur Gendersensibilisierung afghanischer Männer durchgeführt.

Samar Al Bradan

flüchtete vor fünf Jahren nach Österreich und studiert heute Rechtswissenschaften in Wien. Sie unterstützt derzeit das VIDC  bei der Umsetzung einer kürzlich erschienen Studie zu Frauen, Frieden und Sicherheit im Fluchtkontext.

Magda Seewald

ist seit 2005 Projektreferentin am VIDC mit einem regionalen Fokus auf die arabische Region, insbesondere Palästina. Als eine der Genderreferentinnen von VIDC Global Dialogue betreut sie die Bereiche Gendersensibilisierung im Fluchtkontext sowie Gender & Konflikt.

Fragestellungen und Themen des Workshops

  • Aktuelle Entwicklungen im Bereich des Asyl- und Fremdenrechts und aktuelle Praxis (Kindeswohl, Schubhaft, ausgewählte Rechtsprechung)
  • Überblick über Staatsbürgerschaftsrecht: Ab wann kann ich um die österreichische Staatsbürgerschaft ansuchen? Welche Probleme gibt es dabei oft?
  • Verlängerung von Konventionspässen: Was gibt es zu beachten? Wie lange bin ich ohne Pass?

Autorin

Afrah Najm

Kooperationen

 

Auf Einladung des VIDC und des Sport- und Kulturvereins „NEUER START“ gab der Jurist Norbert Kittenberger im Rahmen eines Onlineseminars fundiert Auskunft über neue und alte Herausforderungen und Problemstellungen im Bereich von Asyl-, Fremden- und Staatsbürgerschaftsrecht.

Abschiebungen

Die Abschiebung ist die Vollstreckung einer Ausreisepflicht für Personen, die keinen Aufenthaltstitel (mehr)haben. Für die Abschiebung braucht es eine rechtliche Grundlage. In der Regel ist dies eine Rückkehrentscheidung, die am Ende eines Asylverfahrens erlassen wird.
 Es fanden im Jahr 2020 ca. 49 Fälle von Abschiebungen von Menschen mit afghanischer Staatsbürgerschaft statt. Das VIDC veröffentlichte vor kurzem eine Studie die Lebensrealitäten der abgeschobenen Person verfolgt (From Austria to Afghanistan. Forced return and e new migration cycle)

Sind Abschiebungen nach Syrien derzeit möglich?
Man kann diese Frage nicht wirklich beantworten. UNHCR empfiehlt weiter, dass Abschiebungen nach Syrien nicht stattfinden sollen. Die Argumentation, dass Damaskus als „sicherer Rückkehrort“ anzusehen ist, stimmt nicht, da die Stadt noch unter Kontrolle von Assads Truppen steht. Weiter gibt es in Syrien nach wie vor eine starke wirtschaftliche Krise, die die Situation in Syrien insgesamt als unstabil gelten lässt und eine Abschiebung nach Syrien aus einer menschlichen Sicht nicht möglich macht.

Kindeswohl bei Abschiebungen „Fall Tina“
Das Thema Kindeswohl bei Abschiebungen in das Heimatland ist sehr wichtig. Beim „Fall Tina” wurden Kinder, die in Österreich geboren wurden, mit ihren Eltern abgeschoben, da die Eltern keinen gültigen Aufenthaltstitel mehr hatten. Es wurde ein Kindeswohlkommission eingerichtet, um im Einzelfall zu prüfen, wie sich eine Abschiebung direkt auf Kinder und ihr Wohl auswirkt.

Bleiberecht

Der Begriff „Bleiberecht“ ist so dem Gesetz nicht entnehmen. Man versteht aber darunter zwei verschiedene Aufenthaltstitel, die im AsylG geregelt sind. Man kann den Antrag auf eine Aufenthaltsberechtigung stellen etwa, wenn der Antrag auf Asyl abgelehnt wurde.
Nach §55 AsylG: (wird im Asylverfahren mit geprüft) wird geschaut, wie lange sich die Person schon in Österreich aufhält, ob die Person sich gut integriert hat oder, ob andere maßgebliche Umstände vorliegen (kommt nur bei wesentlichen Änderungen der Situation in Frage). Hier ist das Problem, dass man während des Antragsverfahren kein Aufenthaltsrecht hat und trotz eines laufenden Verfahrens abgeschoben werden kann. Die Aufenthaltsberechtigung gem. §55 AsylG muss sich aus Gründen, die in Art 8 EMRK verankert sind, heraus ergeben (Schutz des privaten Lebens und der Familie).
Nach §56 AsylG in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen: Dieser Aufenthaltstitel oder Aufenthaltsberechtigung wird im Asylverfahren nicht mitgeprüft. Auch während dieses Antrages kann eine Abschiebung stattfinden. Die Voraussetzungen sind u.a. das Vorliegen eines genügenden Einkommens und ein 5-jähriger Aufenthalt davon die Hälfte, mindestens aber drei Jahre mit legalem Aufenthalt.
FRAGE: Ist die Aufenthaltsberechtigung gleich die Rot-Weiß-Rot-Karte? Nein, aber man kann diese Berechtigung nach einem Jahr in eine Rot-Weiß-Rot-Karte umändern, wenn die Voraussetzungen vorliegen.

Verleihung der Staatsbürgerschaft nach zehn Jahren

Die Voraussetzungen

Aufenthalt
10 Jahre rechtmäßiger Aufenthalt davon 5 Jahre Niederlassung. Die 5 Jahre Niederlassung gelten nicht für Asylberechtigte. Für diese reicht ein 10-jähriger rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt.
Niedergelassene sind etwa: Wer etwa einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ oder „Daueraufenthalt EU“ hat. Nicht niedergelassen sind etwa Asylwerber während des noch laufenden Verfahrens oder subsidiär Schutzberechtigte.

Deutschkenntnisse auf B1-Niveau
Für Kinder reicht der Besuch der Primarschule in Österreich unter Umständen reicht der Nachweis einer Lehrabschlussprüfung.

Grundkenntnisse zu Österreich
Kenntnisse zur demokratischen Ordnung Österreichs und die Grundprinzipien sowie Kenntnisse der Geschichte Österreichs und des Bundeslandes, in dem man die Prüfung schreibt. Diese Prüfung muss am Wohnsitz (in Wien bei der MA35) abgelegt werden. Lernunterlagen für die Prüfungen sind unter www.staatsbuergerschaft.gv.at zu finden.

Hinreichend gesicherter Lebensunterhalt
Der Antragssteller muss seinen Lebensunterhalt selbst dauerhaft und hinreichend sichern können. Dafür muss er feste und regelmäßige Nettoeinkünfte in 36 Monaten der letzten sechs Jahren nachweisen. In den letzten sechs Monaten unmittelbar vor der Antragsstellung muss der Antragsteller gearbeitet und ausreichend Einkünfte erbracht haben.
Beispiel über einen hinreichenden gesicherten Lebensunterhalt: Ein Ehepaar mit einem Kind in einer Mietwohnung, die € 600 monatlich kostet ohne andere sonstige regelmäßige Aufwendungen, muss in den genannten Monaten durchschnittlich € 2030 Netto pro Monat verdienen. (Stand 2021) Als Einkommen zählt u.a. Arbeitsverdienst, Leistungen aus dem AMS und gesetzliche Beihilfen. Grundsätzlich ist der Bezug von Sozialhilfe an sich kein Hindernis, allerdings es zeigt, dass der Antragssteller wohl das hinreichend gesicherte Einkommen nicht hat, sonst hätte er die Sozialhilfe ja nicht bekommen.

Unbescholtenheit
Die Person darf keine der folgenden Punkte erfüllen:

  • rechtskräftige Verurteilung durch ein Gericht
  • anhängiges Strafverfahren wegen Verdacht auf Begehen einer Vorsatztat, die mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist
  • Schwerwiegende Verwaltungsübertretung z.B. nach der Straßenverkehrsordnung
  • Tatsachen, die in die Richtung einer Aufenthaltsehe deuten
  • Näheverhältnis zu terroristischen oder extremistischen Gruppen

Weitere Voraussetzungen

  • Keine wesentliche Beeinträchtigung internationaler Beziehungen und keine Schädigung der Interessen Österreichs durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft
  • Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband so weit zumutbar. Bei nicht automatischem Verlust der Zugehörigkeit zum bisherigen Staatsverband bzw. alte Staatsbürgerschaft wie z.B. im Fall von Afghanistan, bekommt die Person einen Zusicherungsbescheid. Binnen zwei Jahren muss der*die Staatsbürgerschaftswerber*in dann aus dem alten Staatenbund ausscheiden, sonst verliert der Zusicherungsbescheid seine Gültigkeit.
  • Positive Gesamtbeurteilung hier zählen vor allem z.B. die Integration des Antragsstellers in das gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Leben in Österreich und sein Bekenntnis zu den Grundwerten des europäischen demokratischen Staates.
  • Verleihung der Staatsbürgerschaft nach 6 Jahren
  • Einen vereinfachten Erwerb der Staatsbürgerschaft für Personen, die die allgemeine Voraussetzung erfüllt haben (1 bis 5) und zusätzlich folgende weitere Voraussetzungen erfüllen.
  • Nachweis über Deutschkenntnisse auf B2-Niveau ODER
  • Nachweis über eine nachhaltige persönliche Integration z.B. dreijähriges ehrenamtliches Engagement in einer gemeinnützigen Organisation oder Ausübung eines Berufs im Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitsbereich.

Verleihung der Staatsbürgerschaft nach sechs Jahren

Einen vereinfachten Erwerb der Staatsbürgerschaft für Personen, die die allgemeine Voraussetzung erfüllt haben (siehe oben) und zusätzlich folgende weitere Voraussetzungen erfüllen:

  • Nachweis über Deutschkenntnisse auf B2-Niveau ODER
  • Nachweis über eine nachhaltige persönliche Integration z.B. dreijähriges ehrenamtliches Engagement in einer gemeinnützigen Organisation oder Ausübung eines Berufs im Bildungs

Erneuerung des Konventionspasses

Man kann den Pass nicht verlängern, man kann diesen nur neu beantragen. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Asylrecht auf der einen Seite, und den Pass auf der anderen Seite. Asyl ist Recht auf internationalen Schutz, während der Pass ein Dokument ist, das zur Ausreise und Einreise nach Österreich und anderen Länder berechtigt.

Voraussetzungen für die Erneuerung bzw. Beantragung

  • Einen Antrag ausfüllen
  • Aktuelles Passfoto (Hochformat 35x 45 mm in Farbe)
  • Identitätsnachweis z.B. Lichtbildausweis aus dem Herkunftsland
  • Positiver Asylbescheid
  • Geburtsurkunde und Heiratsurkunde (wenn vorhanden)
  • Bei Minderjährigen zusätzlich der Nachweis über die Obsorge


Aktueller Ablauf (COVID-19)

  • Die Antragsstellung erfolgt per Mail an BFA-AST.Einlaufstelle@remove-this.bmi.gv.at mit dem Antragsformular gemeinsam müssen die erforderlichen Dokumente eingescannt übermittelt werden.
  • Etwa 5 Monate später ergeht eine Ladung
  • In der Ladung steht, welche Dokumente zusätzlich verlangt werden
  • Fingerabdrücke werden abgenommen
  • Weitere Einvernehmen sind möglich, wenn BFA den Verdacht hat, dass ein Versagungsgrund vorliegt. Das sind Gründe, die die Erteilung einen Konventionspass verhindern können. Das beeinflusst den Asylstatus nicht. Es bewirkt nur, dass die Person keinen Pass bekommt. Z.B. wenn der Verdacht besteht, den Pass für illegale Handlungen verwendet zu haben.

Was ist „Asyl auf Zeit“?

Damit ist gemeint, dass Asylberechtigte zunächst nur drei Jahre zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind. Nach Ablauf dieser drei Jahren ist das Asyl automatisch auf unbefristete Zeit verlängert.
Die Person kann den Pass beantragen, sie muss es aber nicht. Der Pass kann bis zu 5 Jahre gültig sein. Zu beachten ist, dass dieser Pass nichts über den Asylstatus sagt.
Wer darf Fremdenpass beantragen?
Subsidiär Schutzberechtigte, wenn berechtigte Interessen vorliegen, z.B. die Person kann sonst keinen Pass beantragen.

 

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