Stigmatisiert und ausgegrenzt: VIDC präsentiert erste Studie über Abgeschobene von Österreich nach Afghanistan

von Ali Ahmad und Michael Fanizadeh

VIDC Online Magazin Spotlight

Dieser Artikel wurde im VIDC Online Magazin Spotlight März 2021 veröffentlicht. Wenn Sie das vierteljährlich erscheinende Online-Magazin, Einladungen und Dokumentationen erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.

Weiterführende Literatur und Links


Ahmad, Ali (2021) From Austria to Afghanistan: Forced return and a new migration cycle. Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (Hg.), Vienna.

"Studie zeichnet düsteres Bild vom Leben in Afghanistan nach der Abschiebung", Noura Maan and Manual Escher, 22. Februar 2021, Der Standard.

Schuster, Liza and Majidi, Nassim (2015) “Deportation stigma and re-migration”, In: Journal of Ethnic and Migration Studies, 41(4), pp.635-652.

#sichersein – Kampagne „Engagiert gegen Abschiebungen nach Afghanistan“

Autoren

Ali Ahmad ist Doktorand am Department für Migration und Globalisierung der Donau-Universität Krems . Zudem arbeitet er seit 2015 als Konsulent für das VIDC und hat Forschungsarbeiten über afghanische Flüchtlinge und Diaspora-Gemeinschaften in Europa verfasst.

Michael Fanizadeh arbeitet bei VIDC Global Dialogue zu den Themen Migration und Entwicklung sowie Antidiskriminierung mit einem regionalen Fokus auf den Nahen und Mittleren Osten.

 

© Emal Haidary

© Emal Haidary

Die im Februar 2021 veröffentlichte VIDC Studie “From Austria to Afghanistan: Forced return and a new migration cycle” von Ali Ahmad geht der Frage nach wie es Abgeschobenen nach ihrer Rückkehr in Afghanistan ergeht. Von März bis September 2020 wurden 16 afghanische Männer interviewt, die zwischen 2015 und 2020 Österreich verlassen mussten. Drei davon sind im Rahmen eines Rückkehrprogramms der Internationalen Organisation für Migration (IOM) „freiwillig“ nach Afghanistan zurückgekehrt, die anderen 13 wurden aus Österreich abgeschoben. Neben der sich verschlechternden Sicherheitslage ist Stigmatisierung die größte soziale und psychologische Herausforderung, mit der sich die Deportierten konfrontiert sehen.
Als Österreich Dehqan  (alle Namen wurden von der Redaktion geändert) 2019 nach Afghanistan abschob, war er zu beschämt, um seinen Verwandten gegenüberzutreten. Sie sind nämlich der Auffassung, dass Dehqan ein schweres Verbrechen begangen habe, ansonsten wäre er doch nicht nach Afghanistan abgeschoben worden. Nichts habe er erreicht. „Was hast du in all den Jahren in Österreich gemacht?“, fragen Dehqans Verwandte in Zentralafghanistan. Dehqan kämpft in der Folge an mehreren Fronten, um den psychologischen und sozialen Druck zu überwinden. Hinzu kommt, dass sich die Lage in Afghanistan während seiner Abwesenheit, aus sicherheitspolitischer, wirtschaftlicher und sozialer Sicht dramatisch verschlechtert hat. Aufgrund der Stigmatisierung, die mit der Abschiebung verbunden ist, vermeidet Dehqan es auch, seine Verwandten darüber zu informieren, dass er zur Rückkehr gezwungen wurde. „Die Sicherheitsbedrohungen auf der einen Seite und das Stigma der Abschiebung auf der anderen Seite belasten mich sehr“, erklärt der ehemalige Polizeibeamte Dehqan während eines Interviews für die kürzlich veröffentlichte VIDC Studie.

Stigma der Abschiebung: „Verwestlicht, kriminell und ungläubig“

„Verlierer, verwestlicht, kriminell und ungläubig“ sind die gängigsten Bezeichnungen, die die Rückkehrer*innen im täglichen Umgang mit ihren Verwandten und Freund*innen zu hören bekommen. Einige der Rückkehrer*innen werden zudem beschuldigt, das Christentum und die fremde Kultur in ihren lokalen Gemeinschaften zu verbreiten. „Ich bin aus Europa mit einer anderen Kultur zurückgekommen und sie glauben, dass ich zurückgekehrt bin, um diese fremde Kultur und Religion zu verbreiten“, so Siawash, der im Rahmen des Rückkehrprogramms von IOM 2018 nach Afghanistan zurückgekehrt ist.