„2015 darf sich nicht wiederholen“ – ein politischer Stehsatz, der in den letzten Jahren immer wieder zu hören war. Damit war selten gemeint, dass sich das Erstarken der Zivilgesellschaft nicht wiederholen dürfe, die während des Fluchtherbst 2015 dort eingesprungen war, wo Politik und Verwaltung nur zögerlich, verspätet oder gar nicht handelten. Die vielen ehrenamtlichen Helfer*innen zeigten damals wie auch schon 1956, 1991 und 2003, was das kleine Österreich mitten im Herzen Europas an Hilfsbereitschaft, Solidarität und Miteinander leisten kann.
Heute werden gerade länger zurückliegende Flüchtlingsaufnahmen oft nostalgisch verklärt, die positive Stimmung im Land und die vielen Einzelbeispiele der gelungenen Integration betont. Sowohl die tatsächlichen Größenordnungen vergangener Fluchtbewegungen als auch die konkreten Herausforderungen für die lokale Bevölkerung werden dabei meist geflissentlich ausgeblendet, ebenso wie die – neben all der Hilfsbereitschaft – auch damals vorhandenen Ressentiments der Bevölkerung in den Grenzregionen. Der idealisierte Blick zurück dient dabei nicht nur oder gar vorrangig der Erhöhung der österreichischen Mentalität als eine besonders barmherzige und tugendhafte, sondern auch der deutlichen Abgrenzung von aktuellen Fluchtbewegungen.
Historische „Willkommenskultur“ in Österreich
Dabei hat Österreich aufgrund seiner geografischen Lage, des historischen Erbes des Habsburgerreichs und der politischen Unruhen in Nachbarländern wie Ungarn, der ehemaligen Tschechoslowakei und dem ehemaligen Jugoslawien in der Vergangenheit immer wieder Geflüchtete aufgenommen, deren Anzahl jene der Fluchtherbsts 2015 teilweise drastisch überstiegen, vor allem im Hinblick auf positiv erteilte Bescheide (Abbildung 1). So fanden während des Ungarnaufstands 1956/57 rund 200.000 Ungar*innen Zuflucht in Österreich, viele über die später mit Karl Merkatz in der Bockerer-Reihe verfilmte „Brücke von Andau“ (2000) im nördlichen Burgenland. Der Großteil der Geflüchteten erhielt Asyl in Österreich; einige von ihnen reisten weiter in andere Länder, darunter die USA, wodurch Österreich schon in der Frühphase des Kalten Krieges seinem Status als „Tor zum Westen“ gerecht wurde.