Anklage syrischer Kriegsverbrechen in Europa nach dem Weltstrafrechtsprinzip

Von Tatiana Urdaneta Wittek

VIDC Online Magazin Spotlight

Dieser Artikel wurde im VIDC Online Magazin Spotlight Oktober 2021 veröffentlicht. Wenn Sie den vierteljährlich erscheinenden Spotlight, Einladungen und Dokumentationen erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.

Weiterführende Links und Literatur


Centre for the Enforcement of Human Rights International

Open Society Justice Initiative (2020), Universal Jurisdiction Law and Practice in Sweden, April 2020.

Open Society Justice Initiative (2020), Universal Jurisdiction Law and Practice in Germany, April 2019.

Austria: High-potential investigations on Syria crimes”, by Lena Bjurström, justiceinfo.net, 09/04/2021.

European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR): Der Weg zu Gerechtigkeit führt über Europa - z.B. Österreich, 2018. 

Syrian and Yazidi trials: why victims’ lawyers want sexual violence considered, by Hannah El-Hitami, justiceinfo.net, 05/02/2021.

Autor*in


Tatiana Urdaneta Wittek ist als Rechtsanwältin auf Menschenrechte und Völkerstrafrecht spezialisiert und arbeitet in fünf verschiedenen Sprachen. Sie hat 2013 CEHRI in Wien mitgegründet und weitreichende Erfahrung in der Verfahrensführung vor nationalen und internationalen Gerichten. CEHRI schließt in Österreich eine Lücke, in dem die Organisation die Durchsetzung und den Schutz der universellen Menschenrechte durch strategische Verfahrensführung anbietet. 

© Paul Wagner/The Syria Campaign

© Paul Wagner/The Syria Campaign

Die Menschenrechtslage und die staatlich geförderte Gewalt des syrischen Bürgerkriegs führten zu einer der schlimmsten humanitären Krisen und zu den tödlichsten Konflikten des 21. Jahrhunderts. Folter ist in Syrien nach wie vor das von den Konfliktparteien am häufigsten begangene Verbrechen, neben dem Verschwindenlassen von Personen als Mittel zur Bestrafung und Bedrohung politischer Gegner*innen.  Die systematische Folterung von Zivilist*innen durch die syrischen Geheimdienste und andere Konfliktparteien wird als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. 
Das Weltstrafrechtsprinzip gibt Hoffnung auf Gerechtigkeit, sagen die Opfer des syrischen Geheimdienstes, die im Rahmen von Ermittlungs- oder Hauptverfahren vor deutschen Gerichten ihren Leidensweg geschildert haben. Zwar ist der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zuständig für die Verfolgung von Personen wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression.  Da jedoch Russland und China mit ihrem Veto die Verabschiedung einer Resolution des UN-Sicherheitsrats verhinderten, in der die Überweisung des Syrien Konfliktes an den IStGH gefordert wurde, konnte der Gerichtshof keine Ermittlungen zu Syrien einleiten – und dies, obwohl die Resolution von 65 Ländern und allen verbleibenden Mitgliedern des Sicherheitsrats unterstützt wurde. Syrien selbst hat das IStGH Statut nicht ratifiziert. 

Warum sollten syrische Kriegsverbrecher*innen in Österreich vor Gericht gestellt werden? 

Die einzige Möglichkeit, diese schweren Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, besteht derzeit darin, Verfahren gegen die Täter*innen vor nationalen Gerichten außerhalb Syriens durchzuführen. Zu diesem Zweck berufen sich Jurist*innen in Europa auf das Weltstrafrechtsprinzip, das allen Staaten die Befugnis gibt, schwerste Verbrechen nach dem Völkerrecht zu verfolgen. Hervorzuheben ist, dass eine reibungslose internationale Zusammenarbeit und Kräftebündelung der Jurist*innen von übergeordneter Bedeutung für den Erfolg dieser nationalen Verfahren ist.