Von Peking 1995 bis New York 2025: 30 Jahre Frauenrechte im Wandel

Von Gertrude Eigelsreiter-Jashari

VIDC Online Magazin Spotlight

Dieser Artikel wurde in der Spotlight-Ausgabe März 2025 veröffentlicht. Wenn Sie den vierteljährlich erscheinenden Spotlight, Einladungen und Dokumentationen erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.

Autorin*

Mag.a Dr.in Gertrude Eigelsreiter-Jashari, promovierte Soziologin und Kulturanthropologin, ist Lehrbeauftragte an den Universitäten Innsbruck und Salzburg. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind ökonomische Globalisierungsprozesse aus Geschlechterperspektive sowie Internationale Frauenrechte und Friedensforschung. Sie war Mitglied der österreichischen Regierungsdelegation zur vierten UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 und ist u.a. Vorstandsmitglied der Women’s International League for Peace and Freedom in Österreich (Wilpf).

Frau mit Baby am Telefon, Uganda, © Shutterstock/Omri Eliyahu

(26. März 2025) „Vor 30 Jahren vereinten die Pekinger Erklärung und die Aktionsplattform 189 Regierungen in einem ehrgeizigen Plan für den Wandel. Sie ebneten den Weg für eine Welt, in der Frauen und Mädchen frei von Diskriminierung, Gewalt und Ungleichheit leben können. Heute ziehen wir Bilanz: Zwar wurden Fortschritte erzielt, doch der Kampf ist noch lange nicht vorbei.“, so UN Women-Exekutivdirektorin Sima Bahous bei der Eröffnungsrede der 69. Frauenstatuskommission 2025 (CSW69).

Große Fortschritte und Rückschritte 

Die vierte und bislang letzte der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 1995 verabschiedete bahnbrechende und heute noch äußerst relevante Dokumente: die Pekinger Deklaration und die Aktionsplattform mit Maßnahmen für unterschiedliche Stakeholder in den Schlüsselbereichen Armut, Bildung, Gesundheit, Gewalt, bewaffnete Konflikte, Politik, wirtschaftliche Ungleichheit, Institutionen, Menschenrechte und Massenmedien. Die Euphorie und die Erwartungen waren damals nicht nur bei den NGOs sondern auch bei den staatlichen Vertreter*innen groß. Der Aufbruch war damals allerorten spürbar, erstmals wurde die unbezahlte, unsichtbare Arbeit, die hauptsächlich von Frauen* geleistet wurde und wird, sichtbar gemacht und beschlossen, diese zu bewerten. Ein weiterer zentraler Punkt war das in den Folgejahren auch weitgehend umgesetzte Gendermainstreaming, eine Strategie um in allen Politiken, Programme und Maßnahmen auf allen Ebenen eine Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen. Weiters war der große Aufschwung auch durch die Vernetzung und Ressourcenmobilisierung spürbar. Ein direkter Austausch zwischen Frauen*gruppen in Österreich und dem Globalen Süden war durch verstärkte Finanzierungen möglich geworden.

Es gab also seit Peking große Fortschritte in der Geschlechtergleichstellung, jedoch einig sind sich alle darin, dass sie zu langsam passieren und, dass es seit Jahren wieder Rückschritte gibt. Die größten Fortschritte sind 30 Jahre nach  Peking in der Bekämpfung von Armut, im Gesundheitsbereich und bei der Bildung (UN-Bericht Beijing30) zu verzeichnen, allerdings stieg z.B. die Armut unter jungen Frauen* mit Kindern wieder auf 24 % an. Nachdem Frauen* in der Bildung global weitgehend aufgeholt hatten, haben aktuell fast 60 Millionen junger Frauen* keinen Zugang zu Bildung. 

In vielen Berichten und auch nach meiner Einschätzung gibt es zwei zentrale Faktoren für die Erreichung von Geschlechtergleichstellung: die vorherrschenden Normen und stereotype, traditionelle Frauen*bilder (Stichwort Tradwifes) sowie die enorme, unsichtbar gemachte, unbezahlte Arbeit, die nach wie vor zum Großteil (90 %) von Frauen* geleistet wird. Der UN-Bericht listet fünf Querschnitts-Empfehlungen zur Erreichung der Pekinger Ziele und zur Vermeidung von Rückschritten auf: die Rechenschaftslücken schließen, den Frauen* Gehör verschaffen, Finanzierungslücke schließen, Technologie nutzen und eine geschlechtergerechte Krisenprävention und Infrastruktur zu etablieren.

Die Bedeutung der UN-Frauenstatuskommission (CSW)

Die Frauenstatuskommission der Vereinten Nationen (UN) ist nach wie vor eines der wichtigsten Frauenrechtsinstrumente. Immerhin ist es unter der Vielzahl der UN-Konferenzen die laufend stattfinden, die einzig jährlich tagende Kommission, die sich mit Themen zu Geschlechtergerechtigkeit und dem Empowerment von Frauen* und Mädchen auseinandersetzt. Während bei allen anderen UN Sitzungen Frauen* sehr stark unterrepräsentiert sind, treffen sich hier jährlich nicht nur Regierungs- und Verwaltungsbeamt*innen sondern auch 1000e Vertreter*innen von Frauenorganisationen und feministischen Netzwerken. Die Bedeutung dieses Austauschs untereinander für den Fortschritt von Frauenrechten kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Etwa haben sich mehr als 180 junge Aktivist*innen im Rahmen der CSW getroffen, um die Umsetzung der Peking+30 Aktionsagenda zu entwickeln. Sie drängen dabei auch auf die notwendige Machtumverteilung und sehen sich als junge Feminist*innen als gleichberechtigte Partner*innen.

Chancen: Jugend und Geschichtsbewusstsein

Unumstritten gilt die Jugend als zentraler Hoffnungsträger. Der wechselseitigen Unterstützung zwischen Nord und Süd, Frauen* und Männern* und zwischen den Generationen kommt große Bedeutung zu. Vielfältige Allianzen als Grundlage sozialer Bewegungen waren und sind die wirksamen Träger, die Fortschritte für Menschenrechte und Frieden bringen. Nicht jede Generation sollte in den sozialen Bewegungen wieder bei null beginnen (müssen), dafür brauchen wir ein Geschichtsbewusstsein, wie es uns z.B. Gerda Lerner, die Begründerin der Women’s Studies in den 1960er Jahren gelehrt hat. Wir stehen „auf den Schultern von Riesinnen“, die wir auf allen Kontinenten zahlreich vorfinden. Da gehört sie dazu, und Frauen* wie die Nobelpreisträgerinnen Wangari Maathai und Rigoberta Mechnu, Maria Mies , die sich für revolutionäre Alternativen zu Patriarchat und Kapitalismus eingesetzt hat oder die Begründerin der Chipko-Bewegung Vandana Shiva, in Österreich etwa neben Bertha von Suttner auch Johanna Dohnal. Es ist wichtig, dass junge Menschen solche Frauen* kennen und wissen, dass unsere Rechte/Menschenrechte nicht vom Himmel gefallen sind, sondern von Engagierten und sozialen Bewegungen erkämpft wurden.

Mit der Stärkung sozialer Bewegungen und der Jugend, wie es auch bei Konferenzen wie der CSW stattfindet, können wir auch die zahlreichen Hindernisse für eine sozial gerechte Zukunft und ein gutes Leben für alle auf unserer Erde besser bewältigen. Die größten Herausforderungen sehe ich bei rasant aufkommenden und seit gut zwei Jahrzehnten an Macht gewinnenden rechtsextremen und fundamentalistisch-konservativen Bewegungen, die auch den Backlash bei Frauenrechten und Gleichberechtigung vorantreiben. Mit diesen Bestrebungen einher gehen FakeNews, Kriegstreiberei und Aufrüstung, wie wir sie aktuell beobachten müssen. Die altbekannten Herausforderungen wie Klimawandel, Migration und soziale Ungerechtigkeit sind damit verbunden, treten jedoch vergleichsweise in den Hintergrund. 

Backlash und Mittel dagegen

In fast allen Ländern, sowohl im Globalen Süden als auch im Globalen Norden, erstarken rückwärtsgewandte Bewegungen; gleichzeitig nimmt aber auch der Widerstand gegen diese Bewegungen zu. Diese Tendenzen sind weltweit zu beobachten. Einerseits ist der Widerstand gegen Gewalt nicht nur an Frauen* stärker geworden, gleichzeitig nehmen etwa Femizide in Österreich und auch in kriegsgeschüttelten Ländern wie Syrien zu. Stark spürbar ist der Aufbruch der Jugend in vielen Regionen der Welt, wie man durch die globale Fridays for Future Bewegung gesehen hat. Die Frauenfriedensbewegungen sind ein anderes positives Beispiel, das an dieser Stelle hervorgehoben werden muss. 
Die Frauenstatuskommission hat zwar die Politische Erklärung zum 30. Jahrestag der 4. Weltfrauenkonferenz  angenommen, allerdings unter äußerst angespannter Stimmung.
Rosa Logar, Obfrau Wilfp-Austria und NGO-Mitglied der österreichischen Regierungsdelegation bei der CSW69 2025, berichtet direkt aus New York: „Es ist sehr bestürzend und in dieser Art noch nie dagewesen, wie die USA bei der Frauenstatuskommission agieren und gegen Menschenrechte, Frauen/Mädchen, Migrant*innen und Trans-Gender Personen agieren. Diese Haltung entspricht jener extrem rechter Gruppen. Wichtig ist, dass wir diese Sprache und Haltung klar zurückweisen, der Widerstand wächst!“
Auf die Frage, was angesichts der aktuellen Weltlage am dringlichsten erscheint, meint sie: „Wir müssen die (Frauen)Friedensbewegung weltweit stärken. Der Weg der Aufrüstung versperrt den Weg zur Erreichung der SDGs, der Frauen/Menschenrechte und des Ausbaus von Frieden und Demokratie! Wir brauchen einen weltweiten (Frauen)Streik! Aufrüstung ist Investition in Krieg, Gewalt, Massentötungen und Naturzerstörung, im Fall des Einsatzes von Atomwaffen droht die Zerstörung des Planeten. Auch wenn Waffen nicht eingesetzt werden sind sie ein schwarzes Loch, das unsere Ressourcen verschluckt. Schaffung von Vertrauen, Abrüstung, Solidarität und Liebe sind unsere wichtigen Gegenmittel!“

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