Spotlight Archiv

VIDC: 60 Jahre Dialog und Kooperation.

„Es geschieht nichts in der Welt, das für uns nicht von Bedeutung ist!“

Programm


Festrede von Bundeskanzler a.D.

Franz Vranitzky

langjähriger Kuratoriumsvorsitzender des VIDC


Podiumsrunde mit

Ilker Ataç

Politikwissenschaftler

Tamana Ayobi

Afghanischer Verein AKIS

Lucile Dreidemy

Historikerin

Erwin Künzi

Austrian Development Agency

Adaora Ofoedu

African Cultural Foundation

Moderation: Ani Gülgün-Mayr 

ORF

VIDC auf W24

Am 14.09. feierten wir mit Freund*innen und Weggefährt*innen 60 Jahre Dialog und Kooperation! Mit einer Festrede von Bundeskanzler a.D. Franz Vranitzky, langjähriger Kuratoriumsvorsitzender des VIDC.

1962 gründete Bruno Kreisky, gemeinsam mit prominenten Politiker*innen der sogenannten „Dritten Welt“, das heutige Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC). Ziel war es, einen Thinktank für globale Fragen der Entwicklungspolitik zu schaffen, sowie die Zusammenarbeit zwischen Ländern des Globalen Nordens und Globalen Südens auf Augenhöhe zu fördern. Damit ist das VIDC die älteste zivilgesellschaftliche und entwicklungspolitische Organisation Österreichs.

Das 60-jährige Jubiläum des Instituts war Anlass, sowohl einen Blick auf die Vergangenheit, als auch auf die Gegenwart und Zukunft zu werfen. Wie Sybille Straubinger, Direktorin des VIDC betonte, gab es zwar „Aufs“ und „Abs“ in der langen Geschichte, aber glücklicherweise deutlich mehr „Aufs“ wie zum Beispiel die Erweiterung des VIDC um die Initiativen Kulturen in Bewegung und Fairplay vor 25 Jahren. 

Auch in Zeiten wie diesen – geprägt von der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg, der Klimakrise, der Demokratiekrise und vielem mehr – ist die Arbeit des VIDC zentral.  So auch Kuratoriumsvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek: „Gerade jetzt ist jede einzelne Diskussion, jedes Projekt, jede Konferenz,  jede Aktivität, die vom VIDC in seinen Bereichen Global Dialogue, Kulturen in Bewegung und der Fairplay-Initiative durchgeführt werden, wichtiger denn je.“

„Es geschieht nichts in der Welt, das für uns nicht von Bedeutung ist!“

In seiner Festrede lud Franz Vranitzky, ehemaliger Bundeskanzler und langjähriger Vorsitzender des VIDC, zu einem metaphorischen Rundgang durch die österreichische Außenpolitik seit der Nachkriegszeit ein. Wie sehr Außenpolitik mit Innenpolitik verwoben ist, zeigte sich, so Franz Vranitzky, deutlich in den Staatsvertragsverhandlungen nach dem Zweiten Weltkrieg und der Erklärung der österreichischen Neutralität. Ein weiterer Meilenstein war auch der Betritt zu den Vereinten Nationen und die Etablierung eines UN-Amtssitzes in Wien. Letzterem schreibt Franz Vranitzky eine große Bedeutung zu: „Das ist etwas ganz besonders Wichtiges und hängt natürlich mit unserem Stellenwert in der Welt zusammen, und ist nicht zuletzt durch den Neutralitätsstatus begünstigt worden.“ Auch in der Gründung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Etablierung des europäischen Freihandelsabkommens (EFTA), und im Nahostkonflikt spielte Österreich eine entscheidende Rolle. In all diesen Entwicklungen war Bruno Kreisky, der immer wieder auf die Signifikanz der Außenpolitik aufmerksam machte, federführend. Franz Vranitzky erzählte: „Ich erinnere mich genau so mancher Versammlung beigewohnt zu haben, wo Bruno Kreisky als Redner auftrat und vom Nahen Osten, von der Kuba-Krise, von den eisernen Vorhängen und von den trüben Berichterstattungen aus so manchen Teilen der Welt erzählte.“ Dem fügte er hinzu: „Kreisky hat immer gesagt, grausig hin oder her, wir müssen das zur Kenntnis nehmen. Das ist Teil unseres Lebens und natürlich auch Teil unserer Politik.“ 

Reflektionen über Vergangenheit und Zukunft

Auch auf seine eigene Amtszeit nahm Franz Vranitzky Bezug. Hier war, neben dem Beitritt zur Europäischen Union, vor allem auch seine Stellungnahme zur sogenannten „Opferthese“ im Nationalrat 1991 von großer Bedeutung. Franz Vranitzky war der erste offizielle Vertreter Österreichs, der die von Österreicher*innen begangenen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg eingestand, und dafür um Entschuldigung bat. Ein entscheidender Moment für Österreich. Auch heute noch verfolgt er die innen- und außenpolitischen Entwicklungen. Aktuelle Herausforderungen sieht Vranitzky genügend: die Demokratie, sowie die dazu gehörigen Institutionen sieht er, in manchen Staaten mehr, in manchen weniger, in Gefahr. Die Macht der Sozialen Medien, und die dort stattfindende Verbreitung von Fake News, dürfen nicht unterschätzt werden. Er schloss mit dem Aufruf: "Obwohl die österreichische Politik boulvardisiert ist, lassen wir uns als Staatsbürger nicht boulvardisieren!"

Wie alles begann

Einen genaueren Einblick in die Entstehung und Geschichte des VIDC gab Historikerin Lucile Dreidemy. Sie beschrieb, wie Bruno Kreisky in seiner Rolle als Außenmister und Vizepräsident der Theodor-Körner-Stiftung immer mehr bewusst wurde, dass man sich mit den wirtschaftlichen und sozialen Problemen der damals „Dritten Welt“ befassen musste. Wien als „neutrale, globale Stadt“ sollte hier die Brücke zwischen Ost und West, sowie Nord und Süd bilden. Zudem war Kreisky davon überzeugt, dass Außenpolitik nicht nur über die „üblichen Kanäle“, sondern auch über andere Plattformen laufen sollte. Eine 1962 in Salzburg stattfindende Konferenz mit zivilgesellschaftlichen Expert*innen aus der ganzen Welt diente als Schlüsselpunkt für die Gründung des VIDC. Innerhalb kürzester Zeit wurde das VIDC zum „Who is Who“ in der internationalen, liberalen, fortschrittlichen Szene, erzählte Lucile Dreidemy. Und bereits in den 1970er Jahren behandelte das Institut viele Themen, die auch heute noch im Fokus stehen. Dazu zählen etwa internationale Migration, Rassismus, die Diskussion um alternative Entwicklungswege oder auch der New International Economic Order. 

Über Diversität, Unterdrückung und Frauenrechte

Die anschließenden Podiumsgäste verdeutlichten, wie vielfältig die Arbeit des VIDC ist. Ehemalige, sowie aktive Wegbegleiter*innen gaben einen Einblick in ihre Arbeit. Adaora Ofoedu von der African Cultural Foundation sprach über das Mentoringprojekt Yes, She Can, ein auch von VIDC und dem Verein Frauen helfen Frauen helfen unterstütztes Projekt. Darin sollen Frauen und Mädchen aus der Black and People of Color Community (BPoC) mit Hilfe von Mentor*innen in verstärkt Zugang zu Politik und Medien finden. „Denn“, so Adaora Ofoedu,  „die Medien- und politische Welt in Österreich reflektiert nicht, was im Land an Diversität vorhanden ist. Es ist irrsinnig schwierig für Black and People of Color in diese Bereiche hineinzufinden.“

Die dramatischen Veränderungen seit dem Einmarsch der Taliban, brachte Tamana Ayobi Frauenvorsitzende des afghanischen Vereins AKIS in den Abend ein. Anfängliche Versprechen wurden nicht eingehalten: Frauen werden aus jedem Bereich des öffentlichen Lebens ausgeschlossen, sie müssen strenge Kleidungs- und Verhaltensvorschriften befolgen, die Schulbildung für Mädchen ist nur bis zur 6. Schulstufe erlaubt, und vieles mehr. Aber auch in Österreich lebende Afghan*innen werden durch die neuerliche Taliban-Herrschaft (re-)traumatisiert. Während sich Frauen kaum außer Haus trauen, werden afghanische Männer leider oft unter Generalverdacht gestellt, erklärte Tamana Ayobi.  

Über Politik, Migration und Klimawandel

Über 8 Jahre leitete Ilker Ataç am VIDC eine Veranstaltungsreihe zu den politischen Geschehnissen in der Türkei. Dazu wurden Intellektuelle, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen sowie Aktivist*innen aus der Türkei eingeladen, um gemeinsam über Themen wie Menschenrechte, Migration, Außenpolitik und Demokratie zu sprechen. Der hier geschaffene Raum wurde von den Teilnehmer*innen – nicht zuletzt durch die Abhaltung in türkischer Sprache und simultaner Dolmetschung – als transnational empfunden, und sehr geschätzt. 

Als letzter Podiumsgast sprach Erwin Künzi von der Austrian Development Agency (ADA) über die Auswirkungen der Klimakrise auf Migration und Vertreibung im Globalen Süden. Er betonte, dass Menschen, im Gegensatz zu gängigen Annahmen, meist innerhalb des eigenen Landes migrieren. Da die Länder des Globalen Südens jedoch nur sehr begrenzte Kapazitäten haben, ist internationale Zusammenarbeit gefragt. Zum einen durch  Investitionen in die Klima-Resilienz, sowie adäquate Frühwarnsysteme. Zum anderen gilt es sicherzugehen, dass jene Menschen die migrieren müssen, unterstützt werden und eine Zukunft haben. Und schließlich geht es um die Produktion und Verbreitung von Wissen über Klimawandel und Migration: „Deswegen glaube ich, dass Investitionen in die Produktion von Wissen, die Verbreitung von Wissen und auch die Bewusstseinsbildung enorm wichtig sind. Und da sehe ich durchaus auch das VIDC als ein Teil der Gemeinschaft, die daran arbeitet, dieses Wissen weiter zu verbessern, und vor allem auch unter die Menschen zu bringen.“ so Erwin Künzis abschließend.

Ein Abend, der die Herausforderungen unserer Zeit aufgezeigt hat und, die Notwendigkeit von Dialog und Kooperation. Das VIDC geht mit Elan ins neue Jahrzehnt!