Der Terroranschlag in Wien am 2. November 2020 hat uns alle getroffen. Er hat auch Menschen heimgesucht, die in Österreich Schutz vor Krieg und Gewalt in ihren jeweiligen Herkunftsländern gefunden haben. Wir sprachen mit der Syrerin Samar Al Bradan, der Somalierin Suad Mohamed und dem Afghanen Shokat Ali Walizadeh darüber, wie sie die Schreckensnacht in Wien erlebt haben und was sie für die Zukunft befürchten. Zudem führten wir mit Barbara Preitler von Hemayat ein Gespräch über Strategien zur Bewältigung post-traumatischer Situationen.
„Wien ist meine Stadt“
Samar Al Bradan flüchtete vor fünf Jahren nach Österreich und studiert heute Rechtswissenschaften in Wien. Sie wird das VIDC bei der Umsetzung einer kürzlich erschienen Studie zu Frauen, Friedenund Sicherheit im Fluchtkontext unterstützen.
Wie hast du den 2. November, den Abend des Terroranschlags in Wien, erlebt?
Al Bradan: Es war der letzte Tag vor dem Lockdown. Da haben wir gesagt, dass wir ins Kino gehen. Der 2. November ist ein besonders Datum für mich. Ich musste Syrien vor genau fünf Jahren verlassen und war danach noch nicht gleich in Sicherheit. Bis ich dann in Österreich angekommen bin, hat es zehn Tage gedauert. Im Kino habe ich Nachrichten von meinem Bruder erhalten: „Bleib wo du bist! Gehe nicht raus!“.
Du hast dann eine Stunde im Kino ausgeharrt?
Al Bradan: Ja, diese Stunde hat mich fertig gemacht. Das Warten, nicht zu wissen was los ist. Ich habe mir gedacht: Das sind genau die gleichen Erlebnisse, die wir in Syrien jeden Tag gehabt haben. Auf einmal hat sich alles in meinem Kopf wiederholt. Meine erste Frage war: Ist der Täter ein Syrer? Ich habe mich nicht gefragt: Wie viele sind gestorben? Sondern: Hat das was mit Syrien zu tun? Wie wird sich das auswirken? Das hat mich später sehr irritiert.