Die Wiederwahl von Erdoğan. Ein schwaches Zeichen der Opposition.

von Ilker Ataç

VIDC Online Magazin Spotlight

Dieser Artikel wurde in der Spotlight-Ausgabe Juni 2023 veröffentlicht. Wenn Sie den vierteljährlich erscheinenden Spotlight, Einladungen und Dokumentationen erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.

Autor*

Ilker Ataç ist Professor für Politik in der Sozialen Arbeit am Fachbereich Sozialwesen an der Hochschule Fulda. Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Zivilgesellschaft, soziale Bewegungen, Politik der Sozialen Arbeit, lokale Sozial- und Migrationspolitik und türkische Politik. 2018 veröffentlichte Ataç gemeinsam mit Michael Fanizadeh (VIDC Global Dialogue) und Volkan Ağar das Buch "Nach dem Putsch: 16 Anmerkungen zur »neuen« Türkei" (Mandelbaum Verlag).

Türkei im Wahlkampf, © Ilker Ataç

Recep Tayyip Erdoğan wurde bei der Präsidentenstichwahl am 28. Mai. 2023 mit 52% der Stimmen für eine dritte Amtszeit wiedergewählt, während der Oppositionskandidat Kemal Kılıçdaroğlu 48% der Stimmen erhielt. Die Umfrageergebnisse vor dem ersten Wahlgang sahen mehrheitlich Kılıçdaroğlu vorne. Die Opposition konnte mit der Forderung „Erdoğan muss weg“ insgesamt, aber auch bei den Wahlveranstaltungen gut mobilisieren. Dennoch erhielt die regierende „Volksallianz“ (Cumhur Ittifakı) über 320 der 600 Sitze im Parlament. Obwohl die Opposition sehr selbstbewusst gegen den amtierenden Präsidenten Erdoğan auftrat, verlor sie die Wahlen trotz hoher Inflationsrate und mangelnder humanitären Hilfe während der Erdbebenkatastrophe im Südosten der Türkei Anfang des Jahres.

Im Zentrum der Mobilisierung der Opposition standen zwei politische Diskurse. Einerseits versprach die Opposition eine Stärkung des parlamentarischen Systems und die Wiederherstellung des politischen Systems, welches vor der Einführung des Präsidialsystems existierte. Es ging u.a. um die Rehabilitation der Justiz und Etablierung der demokratischen Normen. Andererseits wollte die Opposition Good-Governance-Mechanismen einführen und damit die Probleme der Vetternwirtschaft beseitigen. Die Wiederbesetzung der staatlichen Institutionen mit qualifiziertem Personal, das nicht vom politischen Willen bestimmt ist, war die Hauptforderung der Opposition.