Die Podiumsdiskussion drehte sich um das erneute Interesse der Europäischen Union am afrikanischen Kontinent als wichtigem Lieferanten von so genannten "kritischen Rohstoffen", die in den für einen grünen Wirtschaftswandel benötigten Technologien wie Solarpaneele oder Windturbinen verwendet werden. Nach der Begrüßung durch Sybille Straubinger, Direktorin des VIDC, und einer kurzen Einführung durch Sophie Vessel (Globale Verantwortung), die den thematischen Rahmen der Veranstaltung absteckte, folgte eine lebhafte Diskussion zwischen den Podiumsteilnehmer*innen Mkhululi Nkosilamandla Ncube vom African Minerals Development Centre (AMDC) der Afrikanischen Union, Samantha Hargreaves von der WoMin African Alliance und Karin Küblböck von der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE), die durch Fragen aus dem Publikum ergänzt wurde.
Africa Mining Vision: Mineralien im Austausch für Entwicklung
Nach dem Auftakt der Diskussion befragte Frau Vessel Herrn Ncube zu seinen Ansichten über die Rolle kritischer Rohstoffe für die wirtschaftliche Entwicklung afrikanischer Länder und die Möglichkeiten europäischer Entwicklungsakteure, eine unterstützende Rolle zu spielen. Herr Ncube verwies auf die Africa Mining Vision (AMV), einen unverbindlichen Fahrplan für den Abbau von Mineralien in den Staaten der Afrikanischen Union, dessen Umsetzung das African Minerals Development Center (AMDC) mitsteuert und koordiniert. Darüber hinaus erinnerte er die Zuhörer*innen an den historischen Hintergrund der aktuellen Situation und verwies auf die häufigen und erfolgreichen europäischen Versuche, die wirtschaftliche Entwicklung in Afrika zu behindern. Für Ncube zeigt die EU-Politik in Bezug auf kritische Rohstoffe die Absicht, die kolonialen Zyklen der Ausbeutung und Unterordnung durch die Ausbeutung der Bodenschätze Afrikas zu erneuern. Diese Zyklen müssen gestoppt werden, auch durch eine Änderung der Narrative. Im Falle der Mineraliengewinnung wollen afrikanische Länder und Gemeinschaften ihre eigenen Kapazitäten für die Verarbeitung und das Recycling von Batterien aufbauen, wie z.B. eine aktuelle Initiative zwischen Sambia und der Demokratischen Republik Kongo zeigt. Diese komplexen Industrien gibt es noch nicht, und ihr Aufbau sollte unterstützt werden, anstatt darauf zu warten, dass die grünen Mineralien unverarbeitet nach Europa exportiert werden. Es sollte ein allgemeiner Wille zur Unterstützung bestehen, der in konkrete EU-Politiken einfließen sollte, nicht zuletzt, weil Europa auf der Grundlage afrikanischer Mineralien entstanden ist.
Es war diese historische Sensibilität, die zum Hauptziel der AMV führte, welches, kurz zusammengefasst, darin besteht, die eigenen Ressourcen so gut wie möglich zu nutzen - sowohl für die vom Abbau Betroffenen als auch für diejenigen, die sie abbauen. Daher, so schloss Ncube, könne die AMV als ein "Industrialisierungsrahmen" verstanden werden, der vorschlägt, den Bergbau besser in die Infrastruktur und die industrielle Entwicklung zu integrieren.
Afrikanische Perspektiven für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU
Auf die Frage nach dem Unterschied zwischen grünem und braunem Extraktivismus, den potenziellen Vorteilen für lokale Gemeinschaften und den Möglichkeiten, die der grüne Wandel der EU für Afrika bieten könnte, folgte Samantha Hargreaves einer ähnlichen Argumentationslinie wie Herr Ncube. Für sie bestünden koloniale Praktiken noch lange nach dem formellen Ende des Kolonialismus fort. Da die wirtschaftliche Ungleichheit nicht zufällig, sondern vielmehr aufgrund der ungleichen Handelsbedingungen zwischen den beiden Kontinenten vorherrsche, bleibe echte Souveränität für afrikanische Staaten ein "ferner Traum". Deals mit europäischen Ländern seien fast nie fair. Sie nannte Beispiele von großen europäischen multinationalen Unternehmen, die mit Unterstützung ihrer Heimatländer Druck auf kleine afrikanische Länder ausübten, sowie Fälle von Betrug und Korruption wie das „Lesotho Highland Waters“ Projekt. Frau Hargreaves stimmte Herrn Ncube in Bezug auf den Mangel an finanziellen Mitteln aufgrund eines Machtungleichgewichts zu. Sie erklärte, dass die europäischen Kolonialmächte die neuen unabhängigen Staaten hoch verschuldet zurückgelassen hätten. Die "souveränen" Verwaltungen der postkolonialen afrikanischen Länder wurden und werden immer wieder zu unvorteilhaften politischen und wirtschaftlichen Kooperationen mit dem Westen gedrängt. In Fällen wie Simbabwe wurden Schulden für Infrastrukturprojekte aufgenommen, die im Großen und Ganzen vor allem europäischen Interessen zugutekamen. Die Schulden wurden genutzt, um das Land zu zwingen, seine Märkte zu öffnen, sein öffentliches Vermögen zu privatisieren und die Zusammenarbeit mit anderen afrikanischen Ländern einzuschränken. Dies müsse überwunden werden, da sonst eine echte Unabhängigkeit nicht möglich sei. Frau Hargreaves plädierte für panafrikanische Lösungen, um dem Druck von außen zu widerstehen. Eine solche panafrikanische Solidarität sollte auch von unten nach oben, zwischen Menschen und Bewegungen, aufgebaut werden.
Laut Frau Hargreaves sollten lokale Strukturen und Praktiken, wie z.B. gewohnheitsrechtliche Besitzverhältnisse, berücksichtigt werden. Da vielerorts die historische Nutzung von Gemeindeland durch Gemeinschaften rechtlich nicht anerkannt und Landtitel oft fehlen würden, sei die unfreiwillige Vertreibung von Menschen durch extraktivistische Projekte leicht möglich und geschähe regelmäßig - ohne Entschädigung. Die Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten könnte zum einen in Form eines Dialogs auf der Grundlage einer freien, vorherigen und informierten Zustimmung erfolgen und zum anderen durch die Sicherstellung, dass gemachte Zusagen auch eingehalten werden. Diese Grundsätze sollten auch für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien gelten, da bereits jetzt festzustellen ist, dass wie bei "braunen" Projekten die Menschen vor Ort die Kosten tragen, aber nicht selbst davon profitieren.
EU-Rohstoffpolitik: Eine Fortsetzung der extraktivistischen Narrative und Ansätze?
Nachdem Karin Küblböck bereits die afrikanischen Perspektiven auf kontinentaler, nationaler und kommunaler Ebene erörtert hatte, vervollständigte sie den Blick auf die kritische Rohstoffgewinnung durch ihre Analyse eines wichtigen internationalen Akteurs: der EU, genauer gesagt der EU-Rohstoffpolitik, die neben der Handelspolitik auch andere Politiken wie Planungs-, Forschungs- und Entwicklungs- oder Technologiepolitik umfasst - allesamt keine gemeinsamen EU-, sondern nationale oder sogar regionale Politiken. Nachdem Chinas Nachfrage nach Rohstoffen in den 2000er Jahren zunahm, begann die EU im Jahr 2008, ihre eigene Strategie zu formulieren. Die Initiative zielte darauf ab, unter dem Gebot des "freien Handels" einen "unverfälschten Zugang" zu Rohstoffen zu erhalten. Seitdem sind Rohstoffe für die grüne Transformation sowie für die Digitalisierung und militärische Zwecke von entscheidender Bedeutung geworden. Dies führte zu einer erweiterten EU-Liste "kritischer Rohstoffe", die sich seit ihrer ursprünglichen Erstellung im Jahr 2011 von 14 auf 34 mehr als verdoppelt hat. Sie gelten als kritisch, weil der Zugang zu ihnen nicht gesichert werden kann und weil sie für die EU-Industrie wichtig sind. Ihre Bedeutung wird auch dadurch unterstrichen, dass aus der ursprünglich unverbindlichen Strategie inzwischen ein verbindlicher Rechtsakt geworden ist, dessen Ziele über die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen in anderen Ländern hinausgehen. Mit diesem Rechtsakt will die EU unabhängiger werden, z. B. durch Diversifizierung der Einfuhren, und sie will die Industrieproduktion in die EU zurückholen. Außerdem werden "strategische" Rohstoffe herausgegriffen und mit sogenannten "strategischen Projekten" innerhalb und außerhalb der Union verknüpft. Diese Projekte sind für die Union von größerer Bedeutung, lassen sich leichter umsetzen und können günstige Finanzierungsbedingungen erhalten.
Für Frau Küblböck zeigt der Entwurf der EU-Kommission für einen "Critical Minerals Act", dass der Wettlauf um diese Mineralien zu einem drängenden Thema geworden ist. Sie befürchtet, dass der Weg der EU am Ende nur dazu führt, dass Mineralien abgebaut und nach Europa verschifft werden, ohne einen Mehrwert für die lokale (afrikanische) Wirtschaft zu schaffen. Ein Weg, der ihrer Meinung nach mindestens zwei große Schwachstellen aufweist: Erstens wird die dringende Notwendigkeit, den europäischen Energieverbrauch zu senken, nicht erwähnt, wenn andererseits 600 Millionen Afrikaner*innen keinen Zugang zu Energie haben und wenn 60 % aller kritischen Rohstoffe in Europa nur für die Produktion von Autobatterien benötigt würden. Zweitens hat die EU ihre Strategien konzipiert, ohne in einen Dialog auf Augenhöhe mit den Betroffenen, der Afrikanischen Union, ihren Mitgliedstaaten und den lokalen Gemeinschaften zu treten.
In Bezug auf die Europa-Afrika-Narrative, die in dem Politikentwurf zum Ausdruck kommen, erkannte Frau Küblböck, ebenso wie ihre Mitdiskutant*innen, eine Fortsetzung des Kolonialismus. In Erweiterung der Perspektive von Frau Hargreaves erläuterte sie einige der Mechanismen, die im Allgemeinen verwendet werden, um afrikanische Länder zur Zusammenarbeit zu zwingen - das Schlüsselwort ist hier "(verlorener) politischer Raum". Laut Frau Küblböck schränken viele der internationalen Handelsmaßnahmen aus den 1990er und 2000er Jahren, einer Ära des nahezu uneingeschränkten Freihandels, den politischen Spielraum der afrikanischen Länder weiterhin ein. Aufgrund bilateraler Handels- und Investitionsabkommen können multinationale Unternehmen Länder wegen verschiedener politischer Maßnahmen, auch klimapolitischer, verklagen. Ein Konflikt zwischen ungleichen Partnern, denn multinationale Unternehmen verfügen oft über weitaus mehr finanzielle Ressourcen als kleine, wirtschaftlich schwache Länder. Während also die europäischen und nordamerikanischen Länder immer mehr Schutzmaßnahmen ergreifen, um ihre Industrien wieder aufzubauen, ist dies den afrikanischen Ländern untersagt, sodass sie in ständiger Abhängigkeit bleiben.
In der anschließenden Diskussion wurden diese Widersprüche vom Publikum nochmals aufgegriffen, als die Frage gestellt wurde, warum es keine gemeinsame Mineralienplattform gäbe, wie es die OPEC für Öl gibt. Herr Ncube hielt dies für Afrika derzeit für unrealistisch, verwies aber auf eine Initiative der "Willigen" (einschließlich der Afrikanischen Entwicklungsbank, der Afrikanischen Export-Import-Bank oder der UNECA) zur Entwicklung einer afrikanischen Strategie für grüne Mineralien. Als die afrikanischen Perspektiven in der Zusammenarbeit mit China angesprochen wurden, erklärte Ncube ganz offen, dass die Beziehung zwischen Afrika und Europa, auch aus historischer Sicht, als die eines "Pferdes und eines Reiters" gesehen werde, während Afrika und China als "Kameraden" in einem gemeinsamen Kampf gesehen würden. Die Europäer*innen sollten sich also nicht direkt mit China vergleichen, denn dann hätten sie bereits verloren. Mit Blick auf die Probleme bei der Erreichung der afrikanischen Einheit betonte Frau Hargreaves, dass dies schwierig sei, solange die afrikanischen Länder gegeneinander um ausländische Investitionen konkurrieren müssten. Abschließend rief sie zu einer kritischen Annäherung der verschiedenen zivilgesellschaftlichen Bewegungen zwischen Europa und Afrika auf, um Lösungen zu erarbeiten und einzufordern, die sowohl den Menschen in Europa als auch in Afrika und anderen Teilen der Welt zugutekommen.