Der Workshop befasste sich mit Gesetzen und Praktiken im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs (SSA) in Österreich, Mosambik und Polen. Die Teilnehmer*innen erhielten Einblicke in die Komplexität reproduktiver Rechte im globalen Kontext und konnten ein besseres Verständnis über die Herausforderungen und Strategien zur Förderung der reproduktiven Freiheit gewinnen. Mehr als 60 Teilnehmer*innen, die Einrichtungen der (sexuellen und reproduktiven) Gesundheit, Beratungsstellen, aktivistische Netzwerke und NGOs im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit vertraten, nahmen an dem Workshop teil. Auch Student*innen, Professor*innen und Hebammen waren unter ihnen.
Rechtliche Bestimmungen und Herausforderungen: Österreich
In Österreich ist der SSA nach dem Strafgesetzbuch immer noch strafbar. Die "Fristenlösung", die 1975 erstmals in das Rechtswesen eingeführt wurde, schafft zwar Abhilfe und ermöglicht einen straffreien SSA innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft. Dennoch ist der SSA nach wie vor der einzige medizinische Eingriff ist, der im Strafgesetzbuch geregelt ist und dadurch Frauen* diskriminiert. Diese rechtliche Einschränkung bringt einige Herausforderungen mit sich. Laut Sylvia Groth, einer angesehenen Expertin und Aktivistin von Pro Choice Austria, gibt es keine offizielle (anonyme) Statistik über SSA in Österreich. Eine unmittelbare Folge dessen ist unzureichendes Wissen darüber, wie die medizinischen Verfahren durchgeführt werden, welche Vorteile und Risiken sie mit sich bringen, mit welchen Kosten zu rechnen ist und wohin man sich für bestimmte Eingriffe wenden kann. Abgesehen von der Tatsache, dass der SSA nicht im Lehrplan des Medizinstudiums stehen, gibt es außerdem eine Bewusstseinsklausel, die es Ärzt*innen erlaubt, den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft „aus Gewissensgründen“ abzulehnen. Die Bewusstseinsklausel kann als Folge gesellschaftlicher Stigmatisierung gesehen werden. Die größten Herausforderungen sind in Österreich sowohl auf der rechtlichen als auch auf der politischen Ebene zu verorten: Seit dem Inkrafttreten der “Fristenlösung” hat es keine breit aufgestellte, politische Forderung für die Legalisierung (oder weitere Entkriminalisierung) des Schwangerschaftsabbruchs gegeben. Der politische Diskurs hat sich auf das bisher Erreichte konzentriert und Herausforderungen in Bezug auf die Umsetzung seit 1975 nicht in Betracht gezogen. Aufgrund dieses Versäumnisses sollten heute der landesweite Zugang zum SSA und die notwendige Kostenübernahme durch den Staat (zwischen 350 - 900 €) stärker forciert werden.
Fortschrittliche Gesetzgebung und Herausforderungen bei der Umsetzung: Mosambik
Obwohl Mosambiks Abtreibungsgesetze zu den fortschrittlichsten in Afrika zählt – Abtreibung ist bis zur 12. Schwangerschaftswoche möglich – reichen die Probleme von einem eingeschränkten Zugang bis hin zur Stigmatisierung. Der SSA wird in Mosambik vom Staat finanziert, aber um die Rechtmäßigkeit des Abbruchs zu bestätigen (z. B., dass die Schwangerschaft die 12-Wochen-Frist nicht überschritten hat), müssen betroffene Frauen einen "Beweis" in Form einer Ultraschalluntersuchung vorlegen. Was laut Santos Simione und Inês Boene von AMODEFA daran problematisch ist, ist dass Ultraschalluntersuchungen nicht landesweit verfügbar sind und außerdem nicht staatlich finanziert werden. Die größte Herausforderung hinsichtlich der Umsetzung des Abtreibungsrechts ist jedoch die Stigmatisierung, insbesondere in ländlichen Gebieten. Darüber hinaus können Abtreibungsrechte nicht durchgesetzt werden, wenn es aufgrund der Global Gag Rule an Informationen über die Gesetzgebung und die Dienstleistungen fehlt. In ländlichen Gebieten, in denen die Kirche und ihre Netzwerke für die Gemeinschaft von entscheidender Bedeutung sind, ist es besonders einfach, eine Anti-Abtreibungsagenda zu verbreiten.
Restriktive Gesetze und die Reaktion von Aktivist*innen: Polen
Polen verfügt über eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in Europa. Das 1993 erlassene Gesetz erlaubt einen SSA nur in Fällen von Straftaten oder wenn das Leben der Schwangeren in unmittelbarer Gefahr ist. Diese enge Auslegung in Verbindung mit einer Gewissensklausel hat zur Folge, dass vorwiegend Ärzt*innen – nicht betroffene Schwangere – für die Durchführung des SSA strafrechtlich verfolgt werden. Dieses "Schlupfloch" wird seitdem von Pro Choice Aktivist*innen wie Natalya Broniarczyk von Abortion without Borders genutzt. Aktivist*innen haben durch den "schwarzen Protest" nach der Entscheidung des Höchstgerichts im Jahr 2020, das den SSA seither noch schlechter zugänglich macht, landesweite Aufmerksamkeit erlangt. Sie haben die Leben der Frauen maßgeblich verändert, indem sie wissenschaftlich fundierte Informationen, Unterstützung und Medikamente für einen sicheren SSA bereitstellen. Dank ihres internationalen Netzwerks können sie nicht nur darüber informieren, wo man Abtreibungspillen wie Misoprostol erhält und wie man sie richtig anwendet, sondern haben bereits 3.000 Frauen geholfen, ihre Schwangerschaft in einem Land mit progressiveren Abtreibungsgesetzen wie den Niederlanden, Deutschland oder Österreich operativ zu beenden. Das polnische Beispiel hat gezeigt, dass Pro Choice Aktivist*innen eine zentrale Rolle dabei spielen, den Zugang zum SSA außerhalb des Rechtssystems und staatlich kontrollierter Sektoren zu ermöglichen (fast alle durchgeführten Abbrüche). Die weite Verbreitung von Abtreibungspillen und die “kreative” Nutzung von Gesetzeslücken unterstreichen die Widerstandsfähigkeit der feministischen Bewegung in Polen.
Ausblick – es braucht mehr als institutionelle und rechtliche Veränderungen
Auch wenn Mosambik und Österreich über einen rechtlichen Rahmen verfügen, der SSA unter bestimmten Umständen zulässt, hat die Realität gezeigt, dass normative Änderungen nicht ausreichen. So hat die konservative Regierung Vorarlbergs – ein Bundesland, in dem nur ein einziger Arzt im ganzen Land Abbrüche durchführte – erst kürzlich dafür gesorgt, dass der SSA nun endlich Teil der medizinischen Versorgung des staatlich finanzierten Krankenhauses in Bregenz ist. Um Gesetze, die jeder Frau das Recht auf Wahlfreiheit einräumen, tatsächlich umzusetzen, sollte ein SSA in jedem staatlich finanzierten Krankenhaus möglich sein. Dennoch bleibt das Problem des Mangels an Ärzten, die SSA durchführen, auch im privaten Gesundheitssektor, in Österreich bestehen. Es ist von entscheidender Bedeutung, sich weiterhin für einen verbesserten, landesweiten Zugang zum SSA und für die Möglichkeit der Wahl zwischen verschiedenen Verfahren einschließlich eines medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs einzusetzen.
Die jüngsten Wahlen in Polen haben bei Pro Choice Aktivist*innen in ganz Europa die Hoffnung geweckt, dass das faktische Abtreibungsverbot aufgehoben werden könnte. Auch wenn dies ein großer Schritt hin zu reproduktiven Rechten wäre, haben wir gesehen, dass eine bloße Verbesserung der Gesetzgebung nicht ausreicht. Während gesetzliche und politische Veränderungen notwendig sind, um einen sicheren SSA für alle zu gewährleisten, dürfen wir nicht vergessen, welch großen Einfluss die feministische Zivilgesellschaft in Polen hat und daher auch in anderen Ländern haben kann.
Aufbau von Bündnissen und Solidarität
Besonders die Zusammenarbeit mit medizinischen Fachkräften erwies sich als Schlüsselstrategie. Organisationen wie "Doctors for Choice" in Deutschland und die Beteiligung vieler Ärzt*innen an der Debatte in Vorarlberg haben gezeigt, wie wichtig ein gemeinsamer Ansatz zur Durchsetzung reproduktiver Rechte von Frauen ist. Die gute Nachricht ist, dass Doctors for Choice, eine Vereinigung junger Gynäkolog*innen und Aktivist*innen, derzeit auch in Österreich gegründet wird. In Mosambik kann man sehen, welchen Einfluss zivilgesellschaftliche Organisationen wie das Sexual and Reproductive Rights Network sowie der ehemalige Gesundheitsminister und Premierminister Dr. Pascual Mocumbi im Kampf für ein progressiveres Abtreibungsgesetz haben. Auch die polnische feministische Pro Choice Bewegung hat gezeigt, wie wichtig ein breites gesellschaftliches Bündnis im Kampf für reproduktive Rechte ist.
Feministische Bewegungen müssen sich stärker für reproduktive Autonomie einsetzen. Die große feministische Bewegung in Polen, "Strajk Kobiet" (Frauenstreik), die auch breite internationale Unterstützung erhielt und aus welcher der Internationale Frauenstreik (eine Koalition von mehr als 60 Ländern) hervorging, hat gezeigt, dass wir unserem Traum von sicheren, kostenlosen und nicht stigmatisierten Schwangerschaftsabbrüche für alle näher kommen können, wenn wir solidarisch zusammenstehen, uns organisieren, unsere Stimme erheben und Politiker*innen für ihr Handeln zur Verantwortung ziehen. Wie wir gesehen haben, liegt noch ein langer Weg vor uns, deshalb sollten wir jetzt gleich damit zu beginnen.
Nadja Schuster ermutigte in ihren Schlussworten alle Teilnehmer*innen, das Schweigen zu brechen, die Tabuisierung und Stigmatisierung zu stoppen. Es sei an der Zeit, über den SSA zu sprechen, Erfahrungen auszutauschen und starke Allianzen für reproduktive Autonomie zu bilden.