Die Veranstaltung mit dem Titel „Die syrische Diaspora in Österreich - Zwischen humanitärem und politischem Engagement“ fand am Donnerstag, dem 14. März in Wien in den Räumlichkeiten der Diplomatischen Akademie statt. An diesem Abend wurden die Ergebnisse der vom VIDC in Auftrag gegebenen Studie über das Engagement der syrischen Diaspora in Österreich von den Autorinnen Samar Albaradan und Simela Papatheophilou präsentiert. Anschließend wurden die Ergebnisse von den Expert*innen Jelnar Ahmad (Impact, Berlin), Hubert Neuwirth (Austrian Development Agency), Caroline Niknafs (Dachverband der Wiener Sozialeinrichtungen) und Fatmé Khalil-Hammoud (Magistratsabteilung für Integration und Diversität der Stadt Wien – MA17) kommentiert.
Im Rahmen des Schwerpunkts Migration und Entwicklung beleuchtet VIDC Global Dialogue das Diaspora Engagement unterschiedlicher Communities, mit dem Ziel mehr über Potenzial, Prioritäten und Bedürfnisse der Diaspora zu erfahren und das meist ehrenamtliche Engagement der Diaspora sichtbarer zu machen und ihre Forderungen an österreichischen Organisationen und Institutionen zu unterstützen. Die aktuelle Studie, die auf die syrische Community in Österreich (ca. 68.400 Menschen) fokussiert, gibt einen wichtigen Einblick in das humanitäre und politische Engagement der Syrer*innen im österreichischen Exil. Im Zentrum der Untersuchung standen die Betätigungsfelder und die Herausforderungen, mit denen die syrische Community bei ihrem Engagement konfrontiert ist. Zudem formuliert die Studie wichtige Forderungen an österreichische Einrichtungen.
Es handele sich um „eine der ersten Studien in Österreich, die sich mit der syrischen Diaspora und ihren Bedürfnissen beschäftigt“ so Jelnar Ahmad von Impact, einer Organisation aus Berlin, die das zivilgesellschaftliche Engagement der syrischen Communities europaweit untersucht und fördert. Sie zeigte in ihrem Beitrag Parallelen und Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich auf, wie z.B. die Gründung und Finanzierung eines Dachverbandes der syrischen Organisationen und Vereine in Deutschland.
„Communities übernehmen Aufgaben, die der Staat nicht erfüllt."
So ein Fazit der Studie. Die Studie macht klar, dass die Syrerinnen und Syrer vor allem in jenen Bereichen sehr initiativ und aktiv sind, wo staatliche Organisationen eine Lücke hinterlassen, etwa im Bereich Beratung und Spracherwerb. Erwähnenswert sind auch unterschiedliche Kultur- und Sportvereine, gesundheitsfördernde Projekte sowie kollektive und auch individuelle (meistens auf familiäre Ebene) Initiativen zur humanitären Hilfeleistung in ihrem Herkunftsland. „Es ist sehr wichtig was die Diaspora macht“ hob Hubert Neuwirth hervor und betonte insbesondre das transnationale Engagement der Syrer*innen, deren Überweisungen an ihre Familien in Syrien von enormer Wichtigkeit sind. Um dieses transnationale Engagement auszubauen und zu professionalisieren, fordert die Studie Weiterbildungsmaßnahmen zur Projektplanung und -durchführung für die Community.
Auch in der Politik engagieren sich syrische Menschen in Österreich, allerdings liegen ihnen oft bürokratische Hürden im Weg. Neben der Unmöglichkeit sich am politischen Prozess in Österreich zu beteiligen, etwa bei Wahlen, fehlen oft auch Informationen darüber, wo dies möglich wäre, wie zum Beispiel, die Möglichkeit an den AK-Wahlen teilnehmen zu können, für die keine österreichische Staatsbürgerschaft notwendig ist. Zum politischen Engagement der syrischen Community zählt auch ihr Einsatz für die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen im Syrienkrieg. An den zahlreichen europaweiten Initiativen, die sich dafür einsetzen, sind auch in Österreich lebende Syrer*innen beteiligt. Die Schaffung einer UN-Institution mit dem Mandat zur Suche nach in Syrien Vermissten stellt hier einen ersten wichtigen Erfolg dar.
„Sehr oft wird über die syrische Community gesprochen, sehr selten kommen die Betroffenen selbst zu Wort."
Die Studie zeigt das Potenzial und das lebendige Engagement der syrischen Community auf und stellt aber auch klar, dass staatliche Institutionen und österreichische NGOs Syrer*innen in ihre integrative Arbeit viel stärker miteinbeziehen sollten. Dies sollte auf Augenhöhe geschehen. Syrische Menschen, die längst die fachlichen Kompetenzen besitzen, sollten Mitsprache bekommen und auch Entscheidungen, die die Community betreffen, mitgestalten können. Ohne diese Möglichkeit, werden die aktiven Mitglieder der Diaspora weiterhin auf Schwierigkeiten und Hindernisse stoßen, die Frustrationen auslösen. Je mehr die Community aus dem Integrationsprozess ausgeschlossen wird, desto geringer werden die Erfolgschancen dafür. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang auch, dass es nach wie vor Spaltungen in der syrischen Community gibt, die mit dem laufenden Konflikt in Syrien in Verbindung stehen, was Kooperationen zwischen unterschiedlichen Gruppen oft erschwert. „Angst zeigt sich weiterhin auch in der neuen Heimat. Angst, dass sie wieder nach Syrien gehen müssen und Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen“ beschrieb Simela Papatheophilou ihre Beobachtungen. Eine Tatsache, die verständlich ist, nach einem Leben unter einem diktatorischen Regime in Syrien.
„Psychische Gesundheit muss vordergründiger im Integrationsprozess sein."
Oft wird fälschlicherweise verstanden, dass das Ankommen in einem sicheren Land wie Österreich alle Probleme von Geflüchteten löst. Traumata verschwinden nicht mit der Zeit, da das Problem und der Auslöser noch im Raum stehen. Es bestehe ein hoher Bedarf an Psychotherapie, betonte Caroline Niknafs. Sie hob die Problematik der fehlenden Therapieplätze für Betroffenen hervor und forderte gleichzeitig Angebote zur kostenlosen psychotherapeutischen Ausbildung für Menschen aus den Communities. „Entscheidungsträger*innen haben nicht verstanden, wie notwendig und dringend das ist“ betonte sie mehrmals und unterstützte damit eine wesentlich Forderung der Studie.
„Es wird versucht, die syrische Community durch Projekte und Workshops einzubinden."
In ihrem Kommentar stellte Fatmé Khalil-Hammoud die unterschiedlichen Angebote im Integrationsbereich der Stadt Wien dar. Wichtig sei es dabei, dass diese Angebote mehrsprachig sind, denn somit nehmen sie mehr Menschen aus den Communities in Anspruch. Auch finanzielle Förderungen für Vereine, Projekte und Initiativen, können syrische Akteur*innen beantragen und tun es auch. Allerdings kommt es, aufgrund von Bürokratie und strengen Voraussetzungen, oft dazu, dass sie Pläne und Strategien anpassen müssen, um die Fördermittel zu bekommen. Dies macht deutlich, dass das Finanzielle eine der wichtigsten Herausforderungen ist, wenn es um integrative und kulturelle Community-Arbeit geht.